In Den Armen Des Normannen
Kloster besichtigen und die Almosenhalle, die im ersten Stock lag, wo die Armen von den weiß gekleideten Benediktinermönchen Almosen erhielten. Im zweiten Stock lag ein hübscher Speisesaal für Gäste und ein herrlich beleuchteter Schreibsaal, in dem die Mönche Bücher für ihre umfangreiche Bibliothek abschrieben. Die Mönche speisten im obersten Stock im Refektorium, und außerdem lagen dort auch die gewölbten Zellen, für diejenigen, die ruhige Meditation suchten.
Während ein Tag in den anderen überging, kehrten Lillyths Kraft und ihre Gesundheit zurück. Sie verbrachte viele einsame Stunden auf dem Ausguck oben auf dem Torhaus. Das Meer war manchmal grau und aufgewühlt, nur die wilden Schreie der Möwen brachten eine gewisse Schärfe in ihre einsame Idylle. Zu anderen Zeiten war das Meer glatt und ölig und sah noch viel bedrohlicher aus, als wenn es aufgewühlt war. Es gab kein frisches Wasser auf dem Berg, und jeden Tag brachten Pferde leere Fässer weg und kamen mit gefüllten Fässern zurück, wenn Ebbe war. Im Süden lag Arderon und im Norden Genets. Immer wieder wurden ihre Gedanken von den Geräuschen in der Halle mit dem Klappern der Teller und dem Gebell der Hunde in die Wirklichkeit zurückgeholt. Es gab hier nichts anderes zu tun als nachzudenken.
Schon bald wurde Lillyth klar, dass sie Guy noch immer von ganzem Herzen und mit ganzer Seele liebte. Sie hatte schreckliches Heimweh und hätte zehn Jahre ihres Lebens gegeben, für einen Blick in dieses wilde, stolze Gesicht mit den glitzernden grünen Augen. Was machte es schon, dass er eine Frau hatte? Fünfzig Frauen würden die Liebe, die sie für ihn fühlte nicht mindern. Was war sie doch für ein Dummkopf gewesen, das alles wegzuwerfen!
Warum, fragte sie sich wieder und wieder und ihr fiel nur ein, dass es ihr Stolz gewesen sein musste. Jetzt fühlte sie sich erniedrigt und einsam, aber nicht allein, denn hatte sie nicht sein Geschenk, das unter ihrem Herzen wuchs?
Die letzten Blätter hatten sich herrlich rot und leuchtend gelb gefärbt, als Guy im späten November zu Hause ankam. Die Hunde bellten wie wild und kamen auf den Hof gelaufen. Mit ein paar ernsten Befehlen dämmte er ihre Aufregung ein und begrüßte seinen ältlichen Verwalter mit einem breiten Lächeln. Die Augen des alten Mannes blickten traurig, und Tränen standen darin, als er seinen Herrn betrachtete.
»Was ist geschehen, Gaston?«, fragte Guy sofort.
Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Kommt ins Haus, mein Lord, dann werde ich es Euch erzählen«, sagte er. Er goss Guy Wein ein, und zwei kleine Mädchen traten schüchtern vor, um den Fremden zu betrachten.
»Margarita? Angelique?«, fragte er. »Wollt Ihr mir etwa sagen, dass ihr euren Vater vergessen habt?« Er streckte ihnen die Hand entgegen, und die kleinere der beiden trat schüchtern vor, ihr kleines, dunkles Gesicht war ernst und traurig.
»Wo ist eure Mutter?« Er wandte sich an Gaston. »Sagt mir bloß nicht, dass sie die beiden verlassen hat«, meinte er wütend.
»In gewisser Weise schon, mein Lord. Ich weiß nicht, wie ich Euch das sagen soll, mein Lord, aber sie ist tot. Sie ist auf dem kleinen Platz auf dem Hügel begraben worden.«
Guy saß benommen vor dem Mann, einen Arm hatte er um seine Tochter gelegt. Die Haushälterin kam herein, um nach den Kindern zu sehen und blieb wie angewurzelt stehen.
»Wie ist sie gestorben und wann?«, fragte Guy, der das alles noch nicht vollkommen begreifen konnte.
Der Mann und die Frau warfen einander einen Blick zu, dann sagte die Frau schnell: »Es war ein Lungenfieber, mein Lord, sie hat sich schlimm erkältet. Ich habe sie tagelang gepflegt, aber ich konnte sie nicht retten.« Sie erzählte ihm keine Einzelheiten der wilden Feier zum Neuen Jahr, der betrunkenen Festlichkeiten und der Tatsache, dass Margarite die ganze Nacht draußen im Schnee gelegen hatte, ehe man sie gefunden hatte.
»Wie lange ist das her?«, fragte Guy abwesend.
»Sie wurde am Neujahrstag krank und ist dann am zehnten Januar gestorben. Es ist jetzt beinahe ein ganzes Jahr her.«
Einen Augenblick blieb er ganz still sitzen, dann blinzelte er schnell, und es sah so aus, als würde er die Luft anhalten. »Habt Ihr gesagt, am zehnten Januar?«
Die beiden nickten. Er begann zu zittern. Er hatte Lillyth am zwanzigsten Januar geheiratet, das machte sie in Wirklichkeit zu seiner Frau. Eine Wärme begann in seiner Brust, breitete sich bis zu seinem Hals und seinen Wangen aus und stieg
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