In den Armen des Sizilianers
Emma.“
Das war typisch für ihn. Frustriert schüttelte sie den Kopf. Selbstherrlich und arrogant, wie er war, unterband er jede weitere Diskussion und ging auch noch davon aus, dass sie es akzeptierte. Damals hätte sie es sicher schweigend hingenommen, allerdings waren die Zeiten vorbei. „Das kannst du nicht allein entscheiden“, wandte sie ruhig ein. „Wir müssen gemeinsam eine Lösung finden.“
Nachdenklich betrachtete er sie. „Und wie soll diese deiner Meinung nach aussehen?“
Da er vernünftig geklungen hatte, fragte Emma sich, ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte. Es wäre jedenfalls ein Risiko, doch vielleicht würde er sich auf ein vernünftiges Gespräch einlassen. „Ich weiß es nicht“, gab sie zu. „Mir ist klar, dass du Gino regelmäßig sehen willst, was ich natürlich nicht verhindern kann …“
„Nein, das kannst du wirklich nicht“, unterbrach er sie gefährlich sanft. „Allerdings hast du dir alle Mühe gegeben, mir den Jungen monatelang vorzuenthalten.“
Der harte Blick, den er ihr zuwarf, sollte sie einschüchtern, dessen war sie sich sicher. Doch sie hatte sich vorgenommen, nicht mehr klein beizugeben. „Ich kann den Gedanken nicht ertragen, von Gino getrennt zu sein, wenn auch nur für kurze Zeit. Ich könnte so viel verpassen: seine ersten Gehversuche, das erste Wort, das er spricht, und noch viel mehr. Wenn er mich braucht, muss ich für ihn da sein, alles andere wäre auch für ihn zu belastend.“ Ihr verkrampfte sich das Herz vor Kummer und Schmerz beim dem Gedanken, er könnte leiden.
Mit mühsam unterdrücktem Zorn beugte Vincenzo sich zu ihr hinüber. Den Mann, der ihr in der vergangenen Nacht so viel Lust und Freude bereitet hatte, schien es nicht mehr zu geben, er war plötzlich wie verwandelt.
„Gilt dasselbe etwa nicht für mich?“, stieß er wütend hervor. „Kannst du dir nicht vorstellen, dass es mir das Herz brechen würde, ihn wieder herzugeben, nachdem ich ihn endlich gefunden habe?“
Aber ich bin seine Mutter, hätte sie am liebsten gerufen. Es wäre jedoch die falsche Reaktion gewesen, wie ihr trotz des Gefühlschaos, das in ihr herrschte, bewusst war. Vincenzo konnte sie nicht nur mit Worten vernichten, deshalb musste sie diplomatisch vorgehen, falls sie das schaffte. Um seinen Sohn, den er schon jetzt von Herzen liebte, würde er kämpfen wie ein Löwe.
Damals hatte er sie genauso heiß und innig geliebt, wie er ihr immer wieder versichert hatte. Doch die Liebe zwischen Mann und Frau war eine andere als die der Eltern. Als Mutter oder Vater liebte man seine Kinder bedingungslos, an die Liebe zu dem Partner waren leider allzu oft Bedingungen geknüpft, die dann nicht erfüllt wurden.
Plötzlich erfasste sie tiefe Wehmut. Sie wünschte, Vincenzo würde sie immer noch lieben und sie könnten noch einmal ganz neu anfangen. „Lass uns nicht streiten“, bat sie ihn leise. „Denk an Gino. Er spürt sehr deutlich, wenn etwas nicht in Ordnung ist.“
Sekundenlang maßen sie sich mit ärgerlichen Blicken. Schließlich wandte er sich ab und gestand sich ein, dass er sie am liebsten geküsst hätte. Stattdessen schaute er zum Fenster hinaus auf die ihm so vertraute Landschaft, wo die Cardinis seit vielen Generationen Wein anbauten und Olivenöl herstellten.
Der Anblick seiner geliebten Insel beflügelte seinen Geist immer wieder von Neuem. Doch heute kannte seine Freude keine Grenzen. Er kam nach Hause und brachte seinen Sohn mit – was für ein wunderbarer Tag. Es hatte allerdings auch etwas mit Emma zu tun, dass er so euphorisch war. Einerseits war er überglücklich, einen Sohn zu haben, andererseits regte Emma seine Fantasie an wie keine andere Frau. Sie verzauberte ihn, und er fühlte sich immer noch wie magisch zu ihr hingezogen.
Dennoch war er der festen Überzeugung, dass aus der kurzen Affäre mit ihr nie eine ernsthafte Beziehung hätte werden dürfen. Darüber hatte er nach der Trennung immer wieder nachgedacht und war jedes Mal zu demselben Schluss gekommen. Sie hätte für ihn eine von vielen flüchtigen Bekanntschaften bleiben müssen.
Die Emotionen, die sie in ihm weckte, hatten ihn überrascht. Er war von ihr fasziniert gewesen, und zum ersten Mal in seinem Leben traute er seinen eigenen Gefühlen nicht, denen er sich hilflos ausgeliefert fühlte. Sein Misstrauen war berechtigt, wie sich später herausstellte, denn Emma war eine wunderbare Geliebte, aber eine schlechte Ehefrau. Und jetzt war sie weder das eine noch das
Weitere Kostenlose Bücher