In den Armen des Spions
reagieren mein Magen und meine Nerven auf Major Hamiltons Nähe reichlich empfindlich - wie Ester, Meggie und Hilary es mir prophezeit hatten - aber wie zuverlässig ist dieses Anzeichen?
Andererseits klingt das hier ganz danach, als spiele das Schicksal mal wieder seine gewohnten Streiche. Hier bin ich, praktisch am Ende meines Aufenthaltes in Indien - eine Reise, die ganz explizit in der Absicht unternommen wurde, meinen Horizont in Bezug auf heiratsfähige Herren zu erweitern, eine breitere Auswahl infrage kommender Kandidaten kennenzulernen, um meinen allseits bekannten Hang dazu, doch recht wählerisch zu sein, zu begegnen - und schließlich stolpere ich über einen, der die erhoffte Wirkung auf mich hat, nur um nach einem Tag gerade einmal seinen Namen und seinen militärischen Rang in Erfahrung gebracht zu haben.
Und es ist auch keine Hilfe, dass Tante Selma in Poona geblieben ist, zu weit entfernt, um mir einen Rat zu geben, sodass ich alle meine Informationen von meinem Onkel beziehen muss; allerdings beantwortet Onkel mir meine Fragen, ohne die Absicht dahinter zu hinterfragen, was wiederum ein glücklicher Umstand ist.
Bis ich mehr über Major Hamilton in Erfahrung gebracht habe, kann ich nicht wissen, ob er, wie ich sehr hoffe, der Eine - »mein Einer«, der Mann für mich - ist, sodass es zunächst einmal am allerwichtigsten für mich ist, mehr über ihn zu erfahren. Aber von wem ?
Und ich muss auch mehr Zeit mit ihm verbringen - aber wie?
Ich muss dafür sorgen, dass ich Mittel und Wege finde -mir bleiben schließlich nur noch ein paar Tage.
Und nachdem ich all diese Jahre darauf gewartet habe, dass er in Erscheinung tritt, und so weit gereist bin, bevor ich ihn kennengelernt habe, ist die Vorstellung unerträglich, abzureisen und den Einen für mich zurückzulassen.
E.
10. September 1822
Residenz des Gouverneurs, Bombay
Emily betrachtete stirnrunzelnd den indischen Hausdiener, der in dem Fleck Sonnenlicht stand, das auf den Seidenteppich im Salon ihrer Tante schien.
»Er reist ab?«
Der Diener namens Chandra nickte.
»Ja, Miss. Es heißt, er und seine Freunde hätten ihre Offizierspatente verkauft, weil sie derart niedergeschlagen waren nach dem Tod ihres Freundes, des Captain.«
Sie widerstand dem Drang, den Kopf in ihre Hände zu stützen und sich die Haare zu raufen. Was, zur Hölle, führte Hamilton im Schilde? Wie konnte er der Eine für sie sein, wenn er so ein Feigling war und wie ein geprügelter Hund nach England und nach Hause lief? Was war mit Ehre und Rache nehmen für einen Freund - einen Offizierskameraden, der auf abscheuliche Weise getötet worden war?
Ein Bild der vier Männer, wie sie auf der Veranda um den Tisch gestanden hatten, schoss ihr durch den Kopf. Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich.
»Sie sind alle - alle vier - aus der Armee ausgetreten?«
Als Chandra nickte, hakte sie nach:
»Und sie kehren alle vier nach England zurück?«
»Das ist es wenigstens, was man sich erzählt. Ich habe mit einigen Leuten gesprochen, die ihre Dienerschaft kennen. Sie freuen sich alle darauf, England zu sehen.«
Emily lehnte sich in dem Stuhl hinter dem Schreibtisch ihrer Tante zurück, dachte noch einmal über die vier Männer nach, über alles, was sie in ihrem Umfeld wahrgenommen hatte, über das Päckchen, das sie Delborough gegeben hatte, und schüttelte im Geiste den Kopf. Dass irgendeiner dieser vier Männer den Schwanz einkneifen sollte, war an und für sich bereits schwer zu schlucken, aber alle vier auf einmal? Sie würde die Hoffnung für Hamilton noch nicht aufgeben.
Sie verfolgten irgendeinen Plan.
Aber welchen?
Sie sollte am achtzehnten an Bord gehen und um das Kap herum nach Southampton segeln. Sie musste mehr über Hamilton herausfinden, viel mehr, bevor sie heimreiste. Sobald sie sich davon überzeugt hatte, dass er nicht so ein Feigling war, als den sein gegenwärtiges Verhalten ihn erscheinen ließ, könnte - nein, würde sie, da er nach England heimkehrte, es so einzurichten wissen, dass sich dort ihre Wege erneut kreuzten.
Aber zuerst ...
Sie schaute wieder zu Chandra.
»Ich möchte, dass du dich auf Major Hamilton konzentrierst. Sieh zu, was du über seine Pläne in Erfahrung bringen kannst - nicht nur von seinen Dienern, sondern auch in der Kaserne und wo sonst auch immer er hingeht. Aber was auch immer du tust, lass dich nicht erwischen.«
Chandra grinste breit, wobei seine Zähne in seinem dunklen Gesicht auffällig weiß wirkten.
»Sie können
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