In den Armen meines Feindes
Gedanken. Was, wenn sie diese Geschichte von ihrer unglücklichen Kindheit nur erfunden hatte? Um das Mitgefühl und die Sympathie seines Stiefvaters zu gewinnen. Falls ja, so hatte sie damit ihr Ziel auf jeden Fall erreicht. Denn schon wenige Wochen nachdem sie die Stelle bei „Ferliani Fashions“ angetreten hatte, heiratete sie Joseph Ferliani.
Und jetzt benutzte sie die gleiche Masche bei ihm. Wollte Mitleid bei ihm für ihr hartes Leben erregen, in der Hoffnung, dass er seine Rachepläne aufgeben würde.
„Nikki?“ Er drehte ihren Kopf zu sich. „Wo bist du aufgewachsen?“
Ihre Augen funkelten verärgert auf. Sie zog seine Hand von ihrem Gesicht weg. „Du hörst nicht zu, Massimo. Ich sagte, ich will nicht darüber reden.“
Er fasste ihre Hände und zog ihr die Arme über den Kopf. „Hör auf damit, Nikki. So schwer kann die Frage nicht zu beantworten sein. Und wenn du es mir nicht selbst sagst, beauftrage ich einen Privatdetektiv, der alles über deine Vergangenheit ans Licht bringen wird. Was ist dir lieber?“
Aller Kampfgeist wich aus ihr, ihr ganzer Körper erschlaffte. „Ich bin in Mount Isa aufgewachsen“, sagte sie tonlos.
Massimo wusste genau, dass sie log. Er erkannte inzwischen die Anzeichen genau, jetzt, da er so viel Zeit mit ihr verbracht hatte. Zum einen konnte sie ihm nicht in die Augen schauen, und zum anderen zog ein unmerklicher pinker Hauch auf ihre Wangen. „Ich kann das überprüfen, das ist dir doch klar, oder?“
Trotzig sah sie ihn an. „Dann überprüf’s doch! Mir soll’s gleich sein. Du wirst nichts finden.“
„Nein, weil du gar nicht dort gelebt hast, oder?“
Sie presste die Lippen aufeinander und wandte wieder das Gesicht ab.
Mit einem frustrierten Seufzer stand Massimo auf. „Ich gehe duschen. Kommst du mit?“
Als Antwort zog Nikki sich die Bettdecke über den Kopf.
Als Massimo am nächsten Morgen zum Frühstück auf die Terrasse kam, stand eine tiefe Falte auf seinem Gesicht.
„Sieht aus, als würdest du doch noch deinen Linienflug bekommen, cara“, sagte er zu Nikki, als er sich einen Stuhl hervorzog und Platz nahm. „Es hat sich etwas Unvorhergesehenes ergeben. Ich kann dich nicht nach Melbourne zurückbegleiten. Ich muss mindestens noch eine Woche bleiben und mich darum kümmern.“
Nikki wollte sich ihre Enttäuschung nicht ansehen lassen. Konzentriert schenkte sie ihm eine Tasse Kaffee ein. „Das ist schon in Ordnung. Ich habe genug in Australien zu tun.“
Massimo nippte an der heißen Flüssigkeit, dann sagte er: „Vielleicht willst du ja einen Abstecher nach Mount Isa machen? Um deinen Vater und deinen Bruder zu besuchen.“
Mit einem leisen Klappern setzte sie die Kaffeekanne ab und mied sorgfältig seinen forschenden Blick. „Lieber nicht. Um diese Jahreszeit ist es dort zu feucht.“
„Ich versuche, das hier so schnell wie möglich zu erledigen“, sagte er in das entstandene Schweigen. „Aber ich sollte dich warnen. Versuch nichts Unüberlegtes.“
„Du meinst, mich für ein paar Tage wie ein unabhängiger Mensch zu benehmen?“ Sie hob eine Augenbraue.
„Ich meine, dir einen anderen Liebhaber zu suchen“, gab er zurück. „Ricardo hat Anweisung von mir, dich im Auge zu behalten.“
Ärger wallte in Nikki auf wie heiße Lava. „Beurteile mich nicht nach deinen eigenen abscheulichen Maßstäben. Ich kann mir bestens vorstellen, was dich hier hält.“
Seine Miene verfinsterte sich. „Wir hatten eine Woche Waffenstillstand, Nikki. Jetzt versuchst du schon wieder, Punkte gegen mich zu sammeln.“
„Ich habe diesen Waffenstillstand nicht gebrochen, sondern du! Du bestehst darauf, über Dinge zu reden, über die ich nicht reden will.“
„Du hast das Bett mit mir geteilt“, stieß er gepresst hervor. „Da könntest du zumindest auch die Wahrheit mit mir teilen.“
„Wahrscheinlich teilst du außer mit mir noch mit einem Dutzend anderer Frauen das Bett! Als Teil deines Racheplans. Aber ich will dir dazu etwas sagen – es ist mir gleich!“
„Umso besser!“ Er stellte seine Tasse viel zu heftig ab und stand auf. „Guten Flug. Wir sehen uns in sieben Tagen.“
Nikki wollte ihm eine heftige Erwiderung entgegenschleudern, doch sie hielt sich zurück, weil Carine in diesem Moment auf der Terrasse erschien. Die junge Hausangestellte musste fast aus dem Weg springen, damit Massimo sie nicht umrannte.
Carine kam an den Tisch und setzte den Korb mit frischen Brötchen ab. „Signor Androletti ist schlechter Laune.
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