In den eisigen Tod
schlecht gearbeitet, und mein Kopf dröhnte. Ich werde nicht wiedergeben, was ich gefühlt habe.« Vielleicht versuchte ihr kleiner Sohn, sie aufzumuntern, als er sagte: »Amundsen und Daddy sind beide zum Pol gekommen. Daddy hat jetzt aufgehört zu arbeiten.«
Draußen auf dem Ross-Schelfeis stand Oates’ Krise unmittelbar bevor. Am 10. März »fragte [er] Wilson, ob er heute morgen eine Chance habe, und natürlich musste Bill sagen, dass er es nicht wisse. In Wirklichkeit hat er keine«, schrieb Scott. Und: »Abgesehen von ihm bezweifle ich, ob wir, wenn er jetzt schlappmachte, durchkommen könnten.« Am nächsten Tag schrieb Scott:
»Man merkt, dass Titus Oates dem Ende ganz nahe ist. Was wir tun oder was er tun wird, weiß Gott allein. Wir haben nach dem Frühstück die Sache besprochen; er ist ein tapferer, feiner Kerl und sich über seine Lage im klaren, doch er hat praktisch um Rat gebeten. Wir konnten nichts anderes sagen, als ihn eindringlich zu bitten, so lange weiterzumarschieren, wie er könne. Ein positives Ergebnis dieser Diskussion: Ich habe Wilson mehr oder weniger befohlen, uns die Mittel auszuhändigen, mit denen wir unsere Probleme beenden können ... Wir haben pro Person 30 Opiumtabletten, und er hat noch ein Röhrchen Morphium. So weit die tragische Seite unserer Geschichte.«
Welche finsteren Gedanken gingen ihnen jetzt durch den Kopf? Sie hätten Cherry-Garrard zugestimmt, der schrieb: »Eigentlich muss jeder Mann, der große Polarreisen unternimmt, mit der Möglichkeit rechnen, zur Rettung seiner Gefährten Selbstmord begehen zu müssen.« 4 Auf der Reise im Winter hatte selbst der unverwüstliche Bowers »einen Plan ausgearbeitet, sich, wenn nötig, mit einer Spitzhacke umzubringen, obwohl ich nicht weiß, wie er das bewerkstelligt hätte; oder, wie er sagte, es könne eine Spalte geben, und auf jeden Fall gebe es ja noch den Medizinkasten.« 5 Aber Scott hatte die Hoffnung nicht aufgegeben und stellte verzweifelte Berechnungen an. Sie hatten noch Nahrungsmittel für sieben Tage und waren etwa 100 Kilometer vom One-Ton-Camp entfernt. Wenn sie im Durchschnitt elf Kilometer pro Tag zurücklegten und damit an die Grenze ihres Durchhaltevermögens gingen, wären sie zu dem Zeitpunkt, wenn ihre Lebensmittelvorräte ausgingen, nur noch 24 Kilometer vom Depot entfernt. Könnten sie durchkommen?
Am 12. März schafften sie ein paar weitere Meilen, allerdings zu einem schrecklichen Preis. »Der Boden ist nach wie vor furchtbar, die Kälte extrem, und unsere körperliche Verfassung lässt nach. Gott helfe uns!« Als sie am nächsten Tag aufwachten, wehte ein starker Nordwind, und die Temperatur lag bei minus 38 Grad. Dem konnten sie sich nicht aussetzen. Sie blieben bis zum Nachmittag im Zelt; dann schafften sie wenig mehr als neun Kilometer. Der folgende Tag brachte mit – mittags gemessenen – minus 42 Grad sogar noch niedrigere Temperaturen. Wilson war es so entsetzlich kalt, dass er nicht einmal für eine Weile seine Skier abschnallen konnte, und »der arme Oates hat es wieder in seinem Fuß«. Scott schrieb: »Das Ende muss nahe sein, aber ein recht gnädiges Ende.« Unter dem Druck einer »Tragödie auf der ganzen Linie« fing Scott nun an, die Daten nicht mehr zu registrieren, und statt in der Mittagszeit oder in der Nacht in sein Tagebuch zu schreiben, machte er seine Notizen einfach zur Zeit des zweiten Frühstücks. Dass er überhaupt weiterschrieb, ist bewundernswert.
Am 16. oder 17. März kam Oates zu dem Schluss, dass er nicht mehr weitergehen könne, und bat, dass man ihn in seinem Schlafsack zurücklassen solle. Wilson hatte zu Beginn der Reise Tennysons In Memoriam gelesen. Darin finden sich Zeilen, die dem gebrochenen Kavallerieoffizier auf den Leib geschrieben sein könnten: »Dieses Jahr schlief ich und erwachte unter Schmerzen, fast wünschte ich, nie mehr aufzuwachen.« Seine Kameraden überredeten ihn weiterzumachen, und er humpelte tapfer weiter, aber in der Nacht war sein Zustand so schlecht, dass er eindeutig nicht mehr weitergehen konnte. Scott schilderte sein Ende:
»Sollte dies gefunden werden, so möchte ich diese Tatsachen festgehalten wissen. Oates’ letzte Gedanken richteten sich an seine Mutter, doch unmittelbar davor dachte er voller Stolz daran, dass sein Regiment erfreut wäre über die mutige Art und Weise, wie er seinem Tod entgegenging. Wir können seine Tapferkeit bezeugen. Er hat wochenlang große Qualen ertragen, ohne zu klagen ... Er gab die
Weitere Kostenlose Bücher