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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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während des langen antarktischen Winters. Isolation, Monotonie und Klaustrophobie fordern ihren Tribut, und der Führer wird dann schnell zur Zielscheibe von Kritik. Doch man muss sich davor hüten, in die Klagen über Scott, die sich in verschiedenen Tagebüchern und Briefen finden, zu viel hineinzulesen. Tagebücher und Briefe dienten oft als Ventile für angestaute Spannungen. Oates räumte das ein und schrieb seiner Mutter, sie solle seiner Kritik an Scott in früheren Briefen nicht zu großes Gewicht beimessen. 19 Tatsächlich lassen Mitglieder von Expeditionen in ihren Notizbüchern oft Dampf ab und bringen ihre Beschwerden und Klagen, die offen auszusprechen gefährlich wären, eben zu Papier.
    Natürlich kam Scott mit einigen seiner Kollegen besser zurecht als mit anderen – so haben sich er und Meares eigentlich niemals verstanden, und auch mit dem lakonischen Oates klappte die Kommunikation nicht. Meares selbst erinnerte sich an Streitereien zwischen Scott und Teddy Evans, die sich über den ganzen Tag hinzogen und bei denen Scott Evans mehrmals Schimpfwörter an den Kopf warf. Doch war die Terra - Nova -Expedition einigermaßen harmonisch. Es gab keine ernsthaften Reibereien wie auf Shackletons Nimrod -Expedition, auf der einer seiner Männer, Marshall, schrieb, er habe »kein Jota Respekt vor ihm« 20 und halte Shackleton für einen Feigling, einen Schurken und obendrein noch für inkompetent: »Sh. zum Pol zu folgen ist, wie einem alten Weib zu folgen. Immer in Panik.« 21 Auf derselben Expedition beschwerte sich Wild regelmäßig in seinem Tagebuch darüber, dass seine Gefährten Marshall und Adams die Schlitten nicht richtig zogen. Er bezeichnete Marshall als »großes, fettes, faules Schwein«. 22 Dieser und Adams seien »gefräßige, nichtsnutzige Bettler« und dafür verantwortlich, dass sie nicht bis zum Pol gelangten. 23 Auch gab es nichts Vergleichbares wie den Bruch, zu dem es zwischen Amundsen und Johansen kam, der die Kühnheit besessen hatte, Amundsen nach der fehlgeschlagenen ersten Exkursion zum Pol in Gegenwart der anderen zu kritisieren. Amundsen entfernte ihn aus der Pol-Gruppe und verzieh ihm niemals, sondern behandelte ihn als Paria. Johansen erschoss sich im Januar 1913.
    Bei keiner dieser Expeditionen kam es zu Meutereien, von denen einige Arktisexpeditionen des 19. Jahrhunderts betroffen gewesen waren, insbesondere die amerikanische Expedition von Charles Hall Anfang der 1870er Jahre und von Major Adolphus Greely, der Anfang der 1880er Jahre eine Expedition der amerikanischen Armee leitete. Es gibt starken Anlass zu der Vermutung, dass Hall von einem Expeditionsmitglied ermordet wurde. Jedenfalls starb er nach seiner Rückkehr von einer Schlittenexpedition, als er, unmittelbar nachdem er zum Aufwärmen eine Tasse Kaffee getrunken hatte, plötzlich schwer erkrankte. Als seine Überreste 1968 exhumiert wurden, ergaben Untersuchungen, dass in Halls Körper kurz vor seinem Tod Arsen gelangt war. Auf seiner Expedition hatte es zuvor Unstimmigkeiten gegeben, und nach seinem Tod kam es unter seinem Stellvertreter zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und offener Meuterei. Greelys Expedition war in Schwierigkeiten geraten und die Moral der Mannschaft derart gesunken, dass er sich gezwungen sah, einen seiner Männer wegen Diebstahls vors Kriegsgericht zu stellen und ihn hinrichten zu lassen. Als die Überlebenden schließlich gerettet wurden, entdeckte man an den Leichen einiger der verstorbenen Expeditionsteilnehmer versteckte Hinweise auf Kannibalismus.
    Die Moral der Terra - Nova -Expedition kann auch mit Erfahrungen aus jüngerer Zeit verglichen werden. So ist im Bericht von Roger Mear und Robert Swan über ihre Reise »in Scotts Fußstapfen«, die Mitte der 1980er Jahre stattfand, häufig von Feindseligkeit, Intoleranz und Stress innerhalb der Gruppe die Rede. Sie konnten die Belastungen sehr leicht nachvollziehen:
    »Stellen Sie sich die Frustration vor, als Scotts Gruppe auf der Rückkehr vom Pol, von Lebensmittelknappheit und Zeitmangel bedrängt, ihren einzigen Schlitten über den Schnee des Polarplateaus zog. Zuerst musste Bowers stehenbleiben und eine Socke hochziehen, die ihm Beschwerden verursachte, dann, zehn Minuten später, musste Wilson pinkeln, und Scott, der ihnen den Kurs vorgab, musste wiederholt anhalten, um ihre Orientierung zu überprüfen, und jedes Mal bedeutete dies eine Verzögerung. Stellen Sie sich den schwelenden, immer wieder zutage tretenden Verdacht vor,

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