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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana H. Preston
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dass die anderen nicht so gut zogen, wie sie eigentlich könnten.« 24
    Ranulph Fiennes’ Bericht über die Leitung der Transglobalen Expedition – der ersten Reise um die Welt entlang der Polarachsen – ist ebenso freimütig: »Menschen sind nicht ideal dazu geeignet, miteinander auszukommen – besonders auf Tuchfühlung … Auf vielen Expeditionen gibt es keinen Ausweg, keine Transportmöglichkeiten, deshalb besteht eine Situation erzwungenen Zusammenseins, die dazu führt, dass zwischen einzelnen oder Gruppen Meinungsverschiedenheiten und oft Hassgefühle ausbrechen.« 25 Auf der Discovery -Expedition bemerkte selbst der sanfte Edward Wilson in seinem Tagebuch, dass »Vertrautheit zu Verachtung führt«. 26 Fiennes gestand, dass er aus irgendwelchen kleinlichen und irrationalen Gründen »regelrechten Hass« auf Mitglieder seines Teams empfand und gekränkt war über die kritischen Bemerkungen über seinen Führungsstil in den Aufzeichnungen eines Kollegen. Thor Heyerdahl verwies auf einige derselben Probleme: »Die heimtückischste Gefahr auf jeder Expedition, bei der Menschen wochenlang dicht aufeinander sitzen müssen, ist eine mentale Krankheit, die man ‚Expeditionsfieber’ nennen könnte – eine psychische Störung, die selbst den friedfertigsten Typen so lange reizbar, zornig, wütend, absolut verzweifelt macht …, bis er nur noch die Fehler seiner Gefährten sieht …« 27 Auf einer banaleren Ebene können sogar diejenigen von uns, die mit ihren Lieben ein verregnetes Wanderwochenende in einem kleinen Zelt verbracht haben, nachvollziehen, wie rasch sich Frust und Spannungen aufbauen können, und dann Dinge ausgesprochen werden, die besser ungesagt geblieben wären.
    Fiennes wirft auch ein interessantes Streiflicht auf den Vorwurf, dass Scott beratungsresistent gewesen sei, und stellt fest, dass er selbst es vermied, bei einem Mitglied seiner Gruppen Rat zu holen beziehungsweise um Empfehlungen zu bitten, weil man sie »sonst meistens ermunterte, weitere Ratschläge zu erteilen, auch dann, wenn diese unerwünscht waren«. 28
    Scott musste führen, und weder die Marine noch eine Polarexpedition können nach demokratischen Grundsätzen geführt werden. Vor diesem Hintergrund wirken Scotts Rolle auf der Terra - Nova -Expedition und die allgemein dort herrschende Harmonie geradezu bemerkenswert. Das Marinereglement mit seiner Formalität und Disziplin trug wahrscheinlich dazu bei, dass das Gleichgewicht gewahrt wurde, auch wenn es die Kommunikation manchmal erschwerte.
    Doch obwohl es auf der Terra-Nova -Expedition kameradschaftlich zuging, war ihr, wie Scott selbst einräumte, nicht viel Glück beschieden, auch wenn man die Probleme mit dem Wetter einmal außer Acht lässt. Zunächst lenkten ihn während der gesamten Planungsphase die ständigen Sorgen über die Finanzierung der Expedition ab und verfolgten ihn sogar noch in Antarktika. Statt wie andere Forscher, die zur Gänze von ihren Regierungen finanziert wurden, freie Hand zu haben, um seine Expedition bis ins letzte Detail vorzubereiten, hatte Scott das Pech, Mittel an Land ziehen und nach Sponsoren Ausschau halten zu müssen – eine Zeit, die besser investiert worden wäre, wenn er Schlittenkleidung und -ausrüstung getestet, Kältebedingungen studiert und das Leben unter diesen Bedingungen geübt hätte – alles Dinge, die Scott, wie Kritiker hervorhoben, nicht gründlich genug vorbereitet hatte. Scott hatte auch insofern Pech, als er die Discovery nicht für die Expedition bekommen konnte. Sie war schneller und verbrauchte weniger Kohle als die Terra Nova und hätte ihm vielleicht geholfen, früher in Antarktika einzutreffen. Amundsen brauchte mit der Fram zehn Wochen weniger, um dorthin zu gelangen, allerdings lief er auch weniger Häfen an. Die Terra Nova hinkte, noch bevor sie überhaupt Kapstadt erreichte, bereits 22 Tage hinter ihrem Zeitplan her. Das Problem wurde dadurch verschlimmert, dass Scott viel weiter nördlich auf das Packeis stieß, als er vorhergesehen hatte. Folglich dauerte die Fahrt durch das Packeis 20 Tage, während die Discovery dazu nur vier Tage benötigt hatte. Seine späte Ankunft verzögerte die Reise für die Anlage der Vorratslager beträchtlich. Wäre er früher aufgebrochen, hätte das One-Ton-Depot vielleicht weiter südlich eingerichtet werden können.
    Doch den Gipfel der Pechserie bildete – zumindest unter psychologischen Gesichtspunkten – wohl Amundsens Intervention und die Art, wie er sie

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