In den eisigen Tod
Amundsen schwer erschüttert worden. Er schrieb: »Es ist schlimm, still dazusitzen und dem Ruin zuzusehen, den unsere Transportmittel erlitten haben ... Der Pol ist leider noch sehr weit weg!« Sobald sich das Meereis wieder zu bilden begann, sah Scott eine Gelegenheit zum Aufbruch, obwohl einige Leute aus seiner Gruppe Bedenken hatten. Er und Teddy Evans führten zwei Gruppen hinaus, und schon bald kletterten Männer und Schlitten mit Kletterseilen auf das Meereis hinunter. Teddy Evans bewunderte Scotts Entschlossenheit und schrieb: »Ein nervöserer Mann wäre der Sache aus dem Weg gegangen, weil es, wenn man einmal unten auf dem Meereis war, kaum eine Chance gab, wieder zurückzukommen.« An der Tatsache, dass er bereit war, ein solches Risiko einzugehen, lässt sich der Grad von Scotts Verzweiflung ermessen, aber er machte sich Sorgen darüber, was er in Cape Evans vorfinden könnte, und befürchtete, dass »Ungemach in der Luft lag« und »ein anomaler Seegang« vielleicht Verwüstungen angerichtet haben könnte.
Der Einsatz hatte sich gelohnt, und am 13. April kamen sie wieder in den Genuss des relativen Luxus von Cape Evans, wo ein erleichterter Scott »alles wohlbehalten« vorfand. Mit ihren Bärten, ihrer Wetter gegerbten Haut und den mit Seehundtran und Ruß getränkten Kleidern sahen sie so anders aus, dass Ponting sie für Norweger hielt.
Zehn Tage später ging die Sonne zum letzten Mal auf, um dann für vier Monate zu verschwinden. In den dunklen Tagen, die kommen sollten, würde Scott genügend Themen haben, über die er nachdenken konnte. Über die Reise nach Süden hatte er geschrieben: »Fortuna wäre wirklich streng gesinnt, wenn sie zuließe, dass eine solche Kombination von Wissen, Erfahrung, Fähigkeit und Begeisterung nichts zuwege brächte.« 16 Aber Fortuna hatte nicht gelächelt, sondern einem Eindringling die Tür geöffnet.
Kapitel 12
Winter
Während die Dunkelheit anbrach, verlief das Leben wieder in geordneten Bahnen. Die 15,20 mal 7,60 Meter große Hütte sollte 25 Männer beherbergen. Sie war trotzdem bequem, sogar gemütlich, mit Azetylenlampen, Öfen, Wäscheleinen, Uhren und dem außerordentlich wichtigen Grammophon. Die neun Männer vom Mannschaftsdeck lebten ihr eigenes Leben in einem Raum, der von der Offiziersmesse durch eine mit Regalen versehene Wand abgetrennt war und der mit dem Küchenherd, der wichtigsten Wärmequelle der Hütte, beheizt wurde. Debenham schilderte die dort herrschenden Zustände: »In der Hütte wurde die Temperatur am Boden unter dem Gefrierpunkt gehalten, so dass jeder Schnee, der hereingetragen wurde, täglich hinausgefegt werden konnte, aber auf Tischhöhe lag sie um plus zehn Grad, während sie an der Decke der Hütte bis auf plus 21 Grad ansteigen konnte, und dort konnten wir für unsere wöchentliche Wäsche einen Eimer Eis auftauen lassen.« Auf der anderen Seite dieser Trennwand gingen die 16 Offiziere und Wissenschaftler mit dem Platz so sparsam um, wie sie nur konnten. Scott gehörte ein von einem Vorhang umgebener, gut drei Quadratmeter großer Alkoven, wo er an einem linoleumbezogenen Tisch arbeitete. Wenn er aufsah, fiel sein Blick auf Fotografien von Kathleen, Peter, seiner Mutter und seinen Schwestern. Trost spendeten ihm seine Bücher von Hardy, Galsworthy und Browning sowie sein heißgeliebter 23 Jahre alter Uniformmantel der Königlich Britischen Marine, der so etwas wie ein Maskottchen geworden war und oft als Tagesdecke benutzt wurde. Da Scott, wie die meisten Männer, Raucher war, war sein Abteil der völlig abgedichteten Hütte, wie der Rest, ständig vollgequalmt. ( Wilson, der selbst Raucher war, hatte in seinem medizinischen Bericht über die Discovery -Expedition im Juli 1905 im British Medical Journal geschrieben, dass Tabak bei Fahrten mit dem Schlitten »als Sedativum gegen einen chronischen und unstillbaren Hunger« von unschätzbarem Wert sei.)
Es gab eine peinlich saubere Dunkelkammer, die Ponting für sich selbst gebaut hatte und in der er auch schlief. Daneben befand sich Atkinsons mit Mikroskopen und Reagenzgläsern vollgestopftes Labor; sein Nachbar war der Meteorologe Simpson, dessen wunderbare Sammlung hochmoderner meteorologischer Instrumente summte, tickte und surrte. Zu den Instrumenten zählten Dines Windstärkenmesser, der jede Windböe mit Hilfe einer Wetterfahne aufzeichnete, welche an einem über das Dach ragenden Zwei-Zoll-Rohr befestigt war. Ponting beschrieb dessen unheimliche Geräusche: »Wenn
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