In den eisigen Tod
ihm zusammen kampierte ... Ich hatte den Eindruck [gewonnen], dass ich in seinen Augen keine Gnade fand ...« Gran hatte tatsächlich recht. Am 31. Januar hatte Oates seiner Mutter geschrieben: »Ich kann diesen norwegischen Kerl nicht ausstehen, er ist sowohl schmutzig als auch faul. Ich hatte einen Streit mit ihm, und ich glaube, dass es nicht lange dauern wird, bis wir den nächsten haben.« Doch Gran schilderte, was auf der Rückreise vom Lager One Ton passierte:
»Oates sagte mir ins Gesicht, dass das, was er gegen mich habe, nichts Persönliches sei; es gehe nur darum, dass ich Ausländer sei. Aus ganzem Herzen hasste er alle Ausländer, weil alle Ausländer England hassten. Der Rest der Welt, angeführt von Deutschland, warte nur darauf, sein Vaterland anzugreifen und es, wenn möglich, zu zerstören. Ich war gerade im Begriff zu antworten, als Bowers schnell dazwischenfunkte: ›Könnte etwas dran sein an dem, was du sagst, Oates, aber trotzdem wette ich, dass du Gran gern auf unserer Seite wüsstest, wenn England ohne eigenes Verschulden in einen Krieg hineingezwungen würde.‹ – ›Stimmt das?‹, fragte Oates. ›Natürlich‹, antwortete ich, und ehe ich mich’s versah, packte er meine Hand. In diesem Moment öffnete sich das Buch mit den sieben Siegeln, und Oates und ich wurden die besten Freunde.«
Scott war unterdessen zunehmend von der Leistung der Schlittenhunde beeindruckt. Auf der Rückreise legten sie ein ausgezeichnetes Tempo vor, und Scott hatte angefangen, sich mit Meares darüber zu beraten, was Hundegespanne auf dem Polarplateau leisten würden. Doch seine Zuversicht wurde schon bald wieder erschüttert. Er und Meares schrammten dicht am Tod vorbei, als bei der Überquerung einer Spalte eine Schneebrücke einbrach. Alle mit Ausnahme des Hundeteamführers, jenes wunderbar starken Osman, der während des Sturms über Bord gespült worden war und überlebt hatte, stürzten hinein. Als Wilson hinunterschaute, sah er entsetzt »in eine große blaue Spalte, in der das Hundeteam in einem Riemengewirr hing«. Es gelang ihnen, elf Hunde hochzuziehen, aber zwei waren aus ihrem Geschirr gerutscht, 20 Meter tief auf ein Schneebrett gefallen und sofort eingeschlafen. Der sentimentale und tierliebende Scott vergaß seine Verantwortung als Führer, ignorierte die energischen Einwände der anderen – Wilson hielt es für ein wahnwitziges Risiko – und bestand darauf, dass ein Seil hinuntergelassen wurde, um sie zu retten. Dies gelang ihm, und die genervte Gruppe erreichte am 22. Februar ohne weiteren Zwischenfall Safety Camp, wo sie Teddy Evans mit einem einzigen Pony antrafen.
Doch es sollte noch schlimmer kommen. Atkinson, dessen Fuß sich erholt hatte, brachte einen Sack mit Post, den die Terra Nova angeliefert hatte, ehe sie nach Neuseeland weiterfuhr. Zur Post gehörte ein Brief von Campbell mit einer schrecklichen Nachricht: Er hatte entdeckt, dass Amundsen auf dem Eis an der Bay of Whales, einer Bucht im Ross-Schelfeis in der Nähe von King Edward VII. Land, kampierte. Das war genau die Stelle, wo Scott im Jahr 1902 seinen riskanten Aufstieg mit einem Ballon unternommen hatte, und der südlichste Punkt, den ein Schiff erreichen konnte. Sie war auch nur 740 Kilometer von Scotts eigenem Winterquartier entfernt. Die Herausforderung hätte nicht krasser sein können. Ein wutentbrannter Scott brütete über Campbells Bericht von der spannungsgeladenen Begegnung zwischen den Norwegern und den Briten.
Campbell schilderte, dass seine Gruppe nicht wie geplant im King Edward VII. Land an Land gehen konnte, weil Eis der Terra Nova den Weg versperrte. Als er umkehrte, hatte Campbell beschlossen, einen Winterstützpunkt auf dem Ross-Schelfeis selbst zu suchen, und als sie um eine Spitze herumfuhren, waren die Männer von der Terra Nova erstaunt, die Fram , die so willkommen war wie ein Wikinger-Kaperschiff, geschützt am Rand des Ross-Schelfeises vertäut liegen zu sehen. Wie Wilfred Bruce an Kathleen schrieb: »Allenthalben waren Flüche, laut und tief empfunden, zu vernehmen.« 11
Die Besatzungen besuchten einander in einer Atmosphäre enervierender Höflichkeit. Die norwegische Landgruppe bestand aus neun Mann und 110 Hunden, im Gegensatz zu Scotts beiden Gruppen, die insgesamt 33 Mann mit ihren gemischten Transportmitteln umfassten. Die Norweger sprachen sehr freimütig über ihre Pläne. Amundsen beabsichtigte, mit den Hunden und mit Skiern auf den Pol zuzustürmen und so bald zu starten, wie das
Weitere Kostenlose Bücher