In den eisigen Tod
Schneestürme tobten, klangen nachts die seufzenden und stöhnenden und ausgesprochen gespenstischen Laute, die aus dem Rohr kamen, sehr deprimierend.« Ganz anders dagegen die Töne der improvisierten Brotbackmaschine von Clissold, dem Koch. Clissold stellte seinen Teig her, tat ihn in einen großen Topf, damit er aufging, und legte sich schlafen. Griffith Taylor berichtete: »Wenn der Teig genügend aufgegangen war, drückte er eine Scheibe nach oben, die eine Rinne umwarf. In dieser lief dann eine Bleikugel hinunter, die durch Berührung eine Glocke zum Bimmeln brachte! Dann setzte die Klingel einen Flaschenzug mit Draht in Bewegung und stellte einen weiteren Kontakt her, wodurch ein rotes Licht über seinem Kopf zum Blinken gebracht wurde!«
Simpson gegenüber lag Wilsons Ecke. Wilson war jeden Tag von fünf Uhr morgens an schwer am Schaffen, schrieb an seinen Notizen und fertigte Zeichnungen an. Nelson und Day bewohnten gemeinsam einen Alkoven, während die beiden Australier, Debenham und Griffith Taylor, sich eine Nische mit Gran teilten. In einem Brief an seine Mutter gestand Debenham etwas geheimnisvoll, dass er Bedenken wegen Grans »Moral« habe. 1 Ob das eine Anspielung darauf war, dass dieser mit Frauengeschichten prahlte, oder auf etwas anderes, zum Beispiel Masturbation, lässt sich schwerlich feststellen. Ihren Eingang verhängten sie mit einem Stück Verdunkelungsstoff, den sie sich von Ponting erbettelt hatten – ein Stilelement, das Oates zu der Erklärung hinriss, ihre Behausung sei nicht besser als eine Opiumhöhle oder ein Damenboudoir. Er selbst teilte sich einen Raum mit Cherry-Garrard, Bowers, Meares und Atkinson, der sich wegen seiner spartanischen Einfachheit den Spitznamen »Mietskaserne« eingehandelt hatte. Oates’ einziger Luxus bestand aus einer kleinen Büste von Napoleon, den der chauvinistische Soldat trotz dessen Nationalität glühend bewunderte. Die Philosophie der Mietskasernen-Bewohner lautete: »Nieder mit der Wissenschaft, der Sentimentalität und dem schwachen Geschlecht«, und sie ließen sich mit ihren Nachbarn, den Wissenschaftlern, auf einen harmlosen Krieg der Worte ein, der manchmal in temperamentvolle Albereien ausartete. Scott beschrieb, wie das vor sich ging: »Heute Abend hat sich Oates, Hauptmann in einem feinen Kavallerieregiment, über Stühle und Tische hinweg mit Debenham, einem jungen Studenten aus Australien, gebalgt.« Tatsächlich verbrachte Oates einen Großteil seiner Zeit in den Ställen und kümmerte sich gewissenhaft um die Ponys. Anton war von der Dunkelheit und dem Polarlicht, der Aurora australis, dermaßen beunruhigt, dass er draußen auf dem Eis Zigaretten zurückließ, um diese Wintergeister zu besänftigen. Anton, der sich auch um seine einbeinige Freundin zu Hause in Russland Sorgen machte, war Oates treu ergeben. Wenn man ihn nach Oates fragte, pflegte er in seinem gebrochenen Englisch zu antworten: »Rittmeister Oates gut zu Pferden, gut zu Anton.«
Scott freute sich über »den allgemein herrschenden freundschaftlichen Geist«. Die relativ glückliche und entspannte Atmosphäre war, zumindest teilweise, der Tatsache zu verdanken, dass jeder genug zu tun hatte. Wissenschaftliche Experimente mussten durchgeführt, die Zählerstände der Geräte abgelesen und die Schlittenausrüstung überprüft und ausgebessert werden. Cherry-Garrard ließ die South Polar Times wiederaufleben und zeichnete ein behagliches Bild vom täglichen Leben während des Polarwinters:
»Wahrscheinlich wäre jeder, der von England hierherkäme, überrascht festzustellen, wie viel Arbeit hier während eines langen und dunklen Winters geleistet wird. Es gibt zehn Ponys, die jeden Tag bewegt werden müssen, und sie scheinen jedes Mal, wenn sie hinausgehen, erfrischter zurückzukommen, und Seehunde müssen geschlachtet werde, ehe man ihnen das Fell abzieht. Auf dem Meereis wird ständig gearbeitet: Man fängt Fische und andere Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken, die Wassertiefe wird ausgelotet und die Gezeiten gemessen. Zwischen der Pflege der Hunde und der Ponys, den meteorologischen Beobachtungen, den Nachtwachen wegen des Polarlichts, der Ausarbeitung der Ergebnisse von den Schlittenreisen des letzten Sommers und der Vorbereitung für den nächsten Sommer bleibt nicht viel Zeit übrig … Und so leben wir sehr komfortabel …, und wir sind alle so fit, wie wir nur sein können.«
Ponting sorgte für großes Vergnügen, als seine Gefährten erfuhren, dass irgendein
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