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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Arbeit fertig und schliefen auf dem Kahn dort drüben unter der Plane?« Dabei lächelte er, als ob er seine Worte wiederholte, um sie klarer zu formulieren.
    »Stimmt«, nickte der Mann. »War besoffen, dann macht mir meine Alte immer die Hölle heiß. Die kann einfach nicht mehr aufhören mit dem Gezeter! Kann nicht sagen, Schwamm drüber. Dann fangen auch noch die Kinder zu schreien und zu jammern an. Na, und deswegen bin ich einfach hier umgekippt. Aber ich war nicht so müde, dass ich sie nicht hätte kommen hören, als sie diese Kisten, oder was das alles war, verladen haben. Mussten ja Dutzende gewesen sein! Ging eine Stunde oder noch länger so dahin. Kiste auf Kiste. Und keiner hat auch nur ein Sterbenswörtchen verlauten lassen. Benahmen sich nicht wie normale Kerle, die miteinander reden. Rannten nur hin und her mit diesen verdammten großen Kisten. Muss wohl Blei in ihnen gewesen sein, so wie die damit herumgestolpert sind.« Verdrossen schüttelte er den Kopf.
    »Haben Sie eine Ahnung, wie spät es war?«
    »Nee… Aber es war stockschwarze Nacht, also denk ich, dass es zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens gewesen sein muss, wenn man bedenkt, welche Jahreszeit wir gerade haben.«
    Lanyon warf Monk einen kurzen Blick zu, um sich zu vergewissern, dass er zuhörte.
    »Warum?«, fragte der Kohlenträger und wischte sich mit der schmutzigen Hand über die Wange, wobei er die Nase hochzog. »War das Zeug gestohlen?«
    »Wahrscheinlich«, räumte Lanyon ein.
    »Tja, die sind längst über alle Berge«, meinte der Mann lakonisch. »Sind längst auf der anderen Seite des Flusses, hinter der Isle of Dogs. Da haben Sie keine Chance mehr, die zu erwischen. Was war’s denn? Muss verdammt schwer gewesen sein, was immer auch drin war.«
    »Fuhr der Kahn flussabwärts oder -aufwärts?«, fragte Lanyon.
    Der Mann sah ihn an, als ob er nicht ganz gescheit wäre.
    »Abwärts, natürlich! In Richtung Pool, höchstwahrscheinlich, oder sogar weiter. Vielleicht auch bis Southend, was weiß ich?«
    Ständig fuhren Schleppkähne an ihnen vorüber. Männer schrien sich gegenseitig etwas zu. Das Kreischen der Möwen mischte sich mit dem Klirren von Ketten und dem Quietschen von Seilwinden.
    »Wie viele Männer sahen Sie?«, drang Lanyon erneut in ihn.
    »Keine Ahnung. Zwei, glaub ich. Schauen Sie, ich hab versucht, ein ruhiges Fleckchen zu finden… ein bisschen Frieden.
    Ich hab sie nicht beobachtet. Wenn die Leute mitten in der Nacht Zeug herumschleppen wollen, dann geht mich das nichts an –«
    »Haben Sie nicht gehört, ob sie irgendetwas gesagt haben?«, unterbrach Monk ihn.
    »Was, zum Beispiel?« Der Kohlenträger sah ihn überrascht an.
    »Hab doch gesagt, dass die nicht geredet haben. Rein gar nichts.«
    »Überhaupt nichts?«, insistierte Monk.
    Das Gesicht des Mannes verhärtete sich, und Monk wusste, dass er nun zu seiner Geschichte stehen würde, ob sie der Wahrheit entsprach oder nicht.
    »Haben Sie vielleicht gesehen, wie groß die Männer waren?«, fragte er weiter.
    Einen Augenblick lang dachte der Mann nach und ließ Monk und Lanyon warten.
    »Hm… einer von ihnen war eher klein, der andere war größer und sehr dünn. Er stand sehr aufrecht, als ob er einen Spazierstock verschluckt hätte, aber er hat schwer geschuftet… nach dem bisschen, was ich gesehen hab, zu schließen«, fügte er hinzu. »Hat ’ne Menge Radau gemacht dabei.«
    Lanyon dankte ihm und wandte sich ab, um die Straße zur Flussbiegung zurückzugehen. Monk hielt mit ihm Schritt.
    »Sind Sie sicher, dass es sich um den Lastkarren aus dem Lagerhaus handelte?«, fragte er.
    »Ja«, erwiderte Lanyon, ohne zu zögern. »Mitten in der Nacht sind nicht viele Leute unterwegs, nur ein paar wenige. Ich habe auch Männer in andere Richtungen ausgeschickt. Sie haben in anderen Höfen gesucht, nur für den Fall, dass sie die Kisten nur eine kurze Strecke transportiert hätten. Nicht sehr wahrscheinlich, aber man will ja nichts übersehen.« Er trat vom Randstein herunter, um einem Stapel von Seilen aus dem Weg zu gehen. Sie passierten die Horsleydown New Stairs, und vor ihnen lagen vier weitere Kais, bevor sie fast eine Viertel Meile landeinwärts um das St.-Saviour’s-Dock herumgehen mussten, dann zurück zum Flussufer und zur Bermondsey Wall und weiteren Kais und Lagerhäusern, Am gegenüberliegenden Ufer, ein wenig hinter ihnen, war der Tower von London weißgrau und klar erkennbar. Die Sonne zeichnete helle Flecken auf das Wasser, und hier und

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