In den Fängen der Macht
ihrem Straßenverkehr und dem Rauch, den schmutzstarrenden Hemden und Halstüchern der in Grau und Braun gekleideten Männer, die in andere Lagerhöfe, Fabriken und Büros strömten. Immer noch schweigend, näherten sie sich den feineren Straßen der Stadt, in denen Herren in dunklen Anzügen, Händler, Angestellte und Zeitungsjungen unterwegs waren, die die Morgenschlagzeilen hinausposaunten.
Zu schnell erreichten sie den Tavistock Square. Monk war noch nicht bereit, Judith gegenüberzutreten, aber er wusste, eine Verzögerung wäre keine Hilfe. Er kletterte hinter Casbolt aus der Kutsche und folgte ihm die Treppen hinauf. Die Haustür öffnete sich, bevor Casbolt die Glocke betätigt hatte.
Der bleichgesichtige Butler gewährte ihnen Eintritt.
»Mrs. Alberton ist im Salon, Sir«, informierte er Casbolt, wobei er Monks Gegenwart fast nicht zur Kenntnis nahm. Er musste an Casbolts Gesicht die Art der Nachrichten, die er bringen würde, abgelesen haben. »Soll ich ihr Kammermädchen holen lassen, Sir?«
»Ja, bitte.« Casbolts Stimme war kaum lauter als ein Flüstern.
»Ich fürchte, die Nachricht ist… schrecklich. Sie sollten vielleicht auch nach Dr. Gray schicken«
»Ja, Sir. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
»Ich könnte einen Brandy vertragen, und ich wage zu behaupten, dasselbe gilt für Mr. Monk. Dies war der schrecklichste Morgen meines Lebens.«
»Haben Sie Mr. Alberton gefunden, Sir?«
»Ja. Ich muss Ihnen leider sagen, dass er tot ist.«
Der Butler sog den Atem ein und schwankte einen Augenblick, dann gewann er die Selbstkontrolle zurück.
»War es der amerikanische Gentleman wegen der Waffen?«
»Es sieht so aus, aber sagen Sie noch niemandem etwas. Nun muss ich gehen, um…«
Weiter kam er nicht. Judith öffnete die Tür des Salons und starrte sie an. In Casbolts gequältem Gesicht las sie, was sie bereits befürchtet haben musste.
Casbolt trat auf sie zu, als ob er sie auffangen wollte, für den Fall, dass sie stürzen würde, aber mit einer Anstrengung, die sich heftig in ihrem Gesicht abzeichnete, fasste sie sich und blieb aufrecht stehen.
»Ist er… tot?«
Casbolt schien keines Wortes fähig zu sein. Er nickte lediglich.
Sehr langsam stieß sie den Atem aus, ihr Gesicht war aschfahl.
»Und Merrit?« Ihre Stimme brach.
»Kein Zeichen von ihr.« Er ergriff ihren Arm, sehr zärtlich, aber fast schien er sie zu stützen. »Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass ihr etwas zugestoßen ist«, sagte er mit fester Stimme. »Deshalb brachte ich auch Mr. Monk mit. Er ist vielleicht in der Lage, uns zu helfen. Komm herein und setz dich. Hallows wird nach Dr. Gray schicken und uns Brandy bringen. Bitte… komm…« Er drehte sie herum, während er sprach, und fast zog er sie in den Salon, und Monk folgte ihnen und schloss hinter sich die Tür. Angesichts der heftigen intimen Trauer kam er sich wie ein Eindringling vor. Casbolt gehörte zur Familie, war vielleicht alles, was ihr noch geblieben war. Sie kannten sich seit ihrer Kindheit. Monk war ein Außenstehender.
Judith stand mitten im Raum, erst als Casbolt sie zu einem Sessel führte, sank sie hinein. Sie sah vernichtet aus, hohläugig, ihre Haut wirkte blutleer, aber sie weinte nicht.
»Was ist passiert?«, fragte sie, wobei sie Casbolt ansah, als ob ihn aus den Augen zu lassen bedeutete, jegliche Hilfe oder Hoffnung zu verlieren.
»Wir wissen es nicht«, antwortete er. »Daniel und die zwei Wächter des Lagerhauses wurden erschossen. Es ging vermutlich sehr schnell. Sie litten keine Schmerzen.« Er erwähnte die sonderbaren Stellungen nicht, in denen man die Leichen vorgefunden hatte, und auch nicht die V- förmigen Einschnitte in ihrem Rücken. Monk war froh darüber. Er hätte es ihr ebenso verschwiegen. Wenn sie es nie erfahren müsste, umso besser. Wenn es je bekannt werden würde, dann später, wenn sie wieder zu mehr Kraft gekommen sein würde.
»Und die Waffen und die gesamte Munition sind verschwunden«, fügte Casbolt hinzu.
»Breeland?«, flüsterte sie und suchte in seinem Gesicht nach Bestätigung. Er saß eng neben ihr und griff instinktiv nach ihr.
»Es sieht so aus«, erwiderte er. »Wir begaben uns zunächst zu seinen Räumen, um ihn zu suchen«, fuhr er fort.
»Eigentlich um Merrits willen, aber er war verschwunden, mitsamt seinen Habseligkeiten, mit allem. Laut dem Portier hatte er eine Nachricht bekommen und binnen Minuten gepackt, woraufhin er eiligst verschwand.«
»Und Merrit?« In ihrer Stimme und
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