In den Fängen der Macht
Monk.
»Ich werde tun, was Sie wünschen, Mrs. Alberton«, versprach er. »Doch nun würde ich mich gerne der Polizei anschließen und sehen, wie weit sie mit ihren Ermittlungen fortgeschritten sind. Das ist im Moment das Wichtigste.«
»Ja.« Wieder glomm Hoffnung in ihren Augen auf.
»Vielleicht… Merrit…« Sie wagte nicht, ihre Hoffnung in Worte zu fassen.
In Casbolts Gesicht war deutlich zu sehen, dass er keine derartigen Illusionen hegte, aber er konnte sich nicht überwinden, ihr dies mitzuteilen.
»Ja«, sagte er und nickte Monk zu. »Ich werde hier bleiben. Sie sollten in Erfahrung bringen, was Lanyon herausgefunden hat. Gehen Sie zu ihm. Bitte betrachten Sie sich als immer noch von uns beauftragt, das zu tun. Helfen Sie uns auf jegliche nur mögliche Weise. Treffen Sie Ihre eigenen Entscheidungen… Tun Sie, was Sie für nötig erachten. Aber, bitte, halten Sie uns auf dem Laufenden, ja?«
»Sicherlich.« Monk erhob sich und entschuldigte sich. Er war zutiefst erleichtert, dem Haus der Tragödie entfliehen zu können. Es war schmerzlich, Judiths Gram so nahe zu sein, obwohl er die Erinnerung daran in sich tragen würde, wo er auch war. Dennoch empfand er es als eine Art Erleichterung, sich körperlich zu betätigen, als er auf die Gower Street zuging, wo er einen Hansom finden konnte, der ihn zu dem Lagerhaus zurückbringen würde.
Er begann mit dem Constable in der Tooley Street, der vor den Toren des Lagerhauses postiert worden war und nur zu willig Auskunft darüber gab, dass Lanyon intensive Befragungen durchgeführt hatte, woraufhin er sich auf den Weg zum Hayes Dock gemacht hatte, das der nächstgelegene Punkt am Fluss war, an dem es einen Kran gab, mit dem sie die Gewehre auf Flusskähne hätten verladen können.
Natürlich war es auch möglich, dass sie zum Verladebahnhof gefahren waren oder über die London Bridge zurück zur Nordseite des Flusses. Aber die nahe liegende Wahl müsste auf den Transport auf dem Wasserweg gefallen sein. Monk folgte also der Wegbeschreibung des Constable zum Dock, obwohl er nicht erwartete, Lanyon noch dort vorzufinden.
Auf dem Dock herrschte geschäftiges Treiben, es wimmelte von Karren und Lastwagen, die mit allen möglichen Arten von Waren beladen waren. Die Läden waren geöffnet und bereit, Geschäfte zu machen, und Frauen und Männer schleppten Bündel hinein und heraus. Sie schienen alle möglichen Dinge zu enthalten: Lebensmittel, Schiffsvorräte, Seile, Kerzen oder Bekleidung für jegliches Wetter, ob zu Lande oder zu Wasser.
Eilig ging er am Ufer in Richtung Süden und flussabwärts. Möwen kreisten in der Luft. Ihr schrilles Kreischen übertönte das Rauschen der beginnenden Flut, die sich an den Steinen brach, den Wellenschlag der vorbeifahrenden Kähne, der Prahme oder eines gelegentlichen schwereren Schiffes, sowie die Rufe der Menschen, die sie während der Arbeit des Be oder Entladens austauschten. Der Geruch von Salz, Fisch und Teer drang ihm schwer in die Nase, und plötzlich übermannte ihn eine Erinnerung an die ferne Vergangenheit, an seine Kindheit am Hafen in Northumberland. Dort hatte er am Meer gelebt, nicht an einem Fluss, und hatte von einem kleinen Steinpier auf einen schier endlosen Horizont hinausgesehen und den melodiösen Stimmen der Landbevölkerung gelauscht.
Dann verwischte sich die Erinnerung. Er stand auf dem Hayes Dock und entdeckte die nicht zu verwechselnde, große magere Gestalt von Lanyon, sein glattes helles Haar, das im Wind wie eine Bürste abstand. Er sprach mit einem korpulenten Mann mit einem dunklen, dreckverschmierten Gesicht und fast schwarzen Händen. Monk wusste, ohne erst fragen zu müssen, dass er Kohlenträger war und die Säcke über die sechs Meter hohen Leitern aus den Frachträumen der Schiffe und über oft ein halbes Dutzend Kähne an das Ufer schleppte, je nach Gezeitenhöhe und Frachtmenge der Schiffe weitere Leitern hinauf oder hinunter. Es war eine mörderische Arbeit. Für gewöhnlich war ein Mann, hatte er einmal die Vierzig erreicht, nicht mehr fähig, sie noch zu leisten. Oft hatten lange vor diesem Zeitpunkt schon Verletzungen ihren Tribut gefordert. Monk konnte sich nicht erinnern, woher er dies wusste. Dies war wieder einmal eine von so vielen Erinnerungen, die in der Vergangenheit verloren waren.
Aber das war im Moment nicht relevant.
Lanyon entdeckte Monk und winkte ihn zu sich heran, bevor er die Befragung des Kohlenträgers fortsetzte.
»Sie waren gestern Abend um neun mit der
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