In den Faengen der Nacht
als ihre Mörderin gesucht …
Sie wurde sie von einem tiefen, qualvollen Schluchzen überwältigt.
Ravyn zuckte zusammen, als er sie weinen hörte – er hatte die Tränen einer Frau noch nie ertragen können. Sie zerrissen ihm das Herz und erinnerten ihn an eine Vergangenheit, die er lieber vergessen hätte. »Wir haben genug gesehen, Jack.«
Jack warf Susan einen mitfühlenden Blick zu, schaltete den Fernseher aus und ging.
Patricia ging auf Ravyn zu, aber er schob sie zur Seite. »Bitte lass uns einen Moment allein, ja?«
Sie nickte und verließ den Raum.
Ravyn tat das Herz weh, als er den Schmerz hörte, der in den tiefen Schluchzern steckte. Er verstand diese Art von Qual besser als irgendjemand sonst. Verlust, der so tief in die Seele schnitt, dass es nur noch möglich war stillzustehen, um nicht in einen hysterischen Wutanfall auszubrechen.
Er war diese Art von Kummer gewöhnt. Im Leben eines Were-Hunters trug man mindestens eine Person aus der eigenen Familie zu Grabe.
Sein Leben war noch schlimmer gewesen als das.
Er wollte ihr sagen, dass alles gut werden würde, aber er war nicht herzlos genug, um ihr diese Lüge aufzutischen. Im Leben gab es niemals Garantien, bloß diese eine: Wenn du völlig am Boden warst, würde garantiert jemand des Weges kommen und noch auf dir herumtrampeln.
Stattdessen tat er etwas, das er seit zahllosen Jahrhunderten nicht mehr getan hatte: Er zog sie in seine Arme und hielt sie fest. Sie legte die Arme um ihn und schluchzte weiter. Ravyn biss die Zähne zusammen, als die Gefühle ihn zerrissen. Genau wie sie hatte er alles verloren, als er noch ein Sterblicher gewesen war …
Sogar sein Leben.
Es war nötig, dass sie alles aus sich herausweinte. Allen Zorn herausließ und alle Qual, bis sie sich völlig verausgabt hatte. Alles, was er tun konnte, war, ihr physischen Trost anzubieten. So armselig das auch war, es war besser als nichts.
Und es war mehr, als ihm jemals irgendjemand angeboten hatte.
Er lehnte seinen Kopf an ihren und schloss die Augen, während sie sich an ihn klammerte.
Susan wollte schreien, als zahllose Erinnerungen an Angie und Jimmy durch ihren Kopf schossen. Die beiden waren ihre Freunde. Ihre besten Freunde. Alle beide. Sie hatte Angie schon ihr ganzes Leben lang gekannt, sie hatten als Kinder zusammen Vater-Mutter-Kind und Verkleiden gespielt. Und sie war diejenige, die Angie Jimmy vorgestellt hatte. Sie war Trauzeugin der beiden gewesen.
Wie konnten sie jetzt einfach fort sein? Einfach so? Wer hätte ihnen etwas antun wollen?
»Warum nur?«, schluchzte sie, auf der Suche nach einer Antwort.
Aber es gab keine. Es war sinnlos und dumm, und es schmerzte sie so tief in ihrem Inneren, dass sie den Schmerz herauskratzen wollte.
Warum hatte sie Jimmy nicht geglaubt? Warum nur? Sie hätte dieses Tierheim niemals ohne die beiden verlassen sollen.
Jetzt waren sie tot. Und es war ihre Schuld, denn sie war so dumm gewesen!
Aus ihrer tiefsten Seele stieg Wut auf, als sie sich an Jimmys Furcht erinnerte. Diese Wut erlaubte ihr, ihre Stärke wiederzugewinnen, und als die Stärke die Kontrolle über die Trauer gewann, merkte sie, dass sie einen völlig Fremden umklammert hielt.
Sie machte sich von ihm los und starrte in seine Augen, die schwarz wie Obsidiane waren. »Was, zum Teufel, geht hier vor? Lügen Sie mich nicht an. Ich will die Wahrheit wissen über alles, was heute geschehen ist.«
Er holte tief Luft, ehe er antwortete. »Sie sind kein Squire, oder?«
Sie war sehr frustriert. »Das fragen Sie mich immer wieder. Was ist denn ein Squire?«
Bei ihrer Frage schaute er, als ob es ihm schlecht ging.
Ihr Blick fiel auf die Schusswunden in seiner Brust, die nicht mehr bluteten. Er war von Wunden übersät: auf den Armen, am Hals, und die Blutflecken auf dem schwarzen T-Shirt zeigten weitere Stellen an Brust und Rücken an, wo er angeschossen worden war. Und doch verhielt er sich so, als bedeute dies nichts.
Susan berührte die Wunde an seinem Arm, wo die Kugel geradewegs durch Muskeln und Gewebe hindurchgegangen war. Es waren weder Make-up noch Spezialeffekte im Spiel – alles war real und mörderisch. »Was sind Sie?«
Ein Muskel zuckte in seinem Kiefer, ehe er eine knappe Antwort gab. »Kurz gesagt: Ich bin die einzige Hoffnung, die Sie haben.«
5
Susan wischte sich die Tränen aus den Augen, machte sich von ihm los und starrte ihn an. »Hoffnung in welcher Situation, Katzenmann? Tod? Bankrotterklärung? Weißt du, mein Leben lief …«
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