In den Faengen der Nacht
ihrer eingeweihten Kreise je etwas über ihre Welt erzählen würde. Aber es handelte sich hier nicht um normale Umstände. Die Daimons hatten sie in diese Sache hineingezogen, und wenn er ihr nicht die Wahrheit sagte, dann wäre sie ihnen gegenüber schutzlos. Egal, ob sie mit dieser Sache etwas zu tun haben wollte oder nicht – sie hatte schon etwas damit zu tun.
»Dark-Hunter sind Unsterbliche, die geschworen haben, die Menschen zu beschützen, indem sie die Daimons jagen, die die Menschen als Beute betrachten.«
»Und was sind Daimons?«
Er holte tief Luft, während er darüber nachdachte, wie er es ihr am besten erklären könnte. »Vor langer Zeit, im alten Atlantis …«
»Atlantis ist auch eine wahre Geschichte?«, fragte sie und verzog das Gesicht.
»Ja.«
Sie schüttelte den Kopf. »Und was kommt als Nächstes? Einhörner?«
Ihr Ärger amüsierte ihn. »Nein, aber Drachen.«
Sie kniff ihre blauen Augen zusammen. »Ich hasse dich wirklich«, sagte sie mit einer Stimme voller Gehässigkeit.
Er lächelte sie freundlich an, während ihre weiche Wange seine verbrannten Finger kühlte. Er hätte sich um seine eigenen Wunden kümmern sollen, doch er wollte sie zuerst beruhigen. Das ergab keinen Sinn und war das Gegenteil von allem, was ihm normal vorkam, und doch saß er hier und erklärte ihr eine Welt, die sie zweifellos grotesk finden musste.
»Ich kann es dir nicht übel nehmen. Ich würde mich wahrscheinlich auch hassen, wenn ich in deiner Situation wäre. Aber zurück zu Atlantis. Es gab eine Art von Lebewesen, die Apolliten genannt wurden.«
»O Gott, ich hatte wirklich gehofft, das wäre ein Diätgetränk mit Apfelgeschmack.«
Er lachte und fuhr dann zusammen, als ihn ein scharfer Schmerz durchzuckte.
»Nein, das sind sie ganz klar nicht. Ihr Name leitet sich vom Gott Apollo ab, der sie erschaffen hat. Es gehörte zu seinem Plan, dass sie eines Tages über die Menschen herrschen würden, aber wie es mit allen guten Plänen so geht – er ist ihm um die Ohren geflogen. Die Apolliten haben seine Geliebte und seinen Sohn getötet, und er hat sie dazu verdammt, dass sie alle im Alter von siebenundzwanzig Jahren sterben müssen, langsam und qualvoll.«
»Das fanden sie sicher ganz toll.«
»Und ob. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass das nicht nach ihrem Geschmack war. Eine Gruppe von ihnen hat irgendwie herausgefunden, wie sie Menschen umbringen, deren Seelen in ihre Körper saugen und dadurch ihr Leben verlängern konnten. Seit diesem Tag haben alle Apolliten, die siebenundzwanzig Jahre werden, die Wahl: Sie können sterben, oder sie können Menschen jagen und Daimons werden. Das einzige Problem bei der Sache ist, dass die Seelen, derer sie sich bemächtigen, nicht für sie gedacht sind. Diese Seelen sterben langsam, sobald sie sich im Körper der Daimons befinden. Wenn die Seele stirbt und der Daimon noch keine andere gefunden hat, dann stirbt auch er.«
Sie trat einen Schritt zurück und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, als sie begriff, welchen Horror sie gerade gehört hatte. »Sie sind also ständig auf der Suche nach neuen Opfern, damit sie selbst am Leben bleiben können.«
Er nickte. »Und jetzt sieht es ganz so aus, als ob sie es geschafft hätten, dass einige von deinen Leuten ihnen helfen.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht. Dafür kannst du dich in Hollywood bedanken. Die meisten Menschen, die ihnen helfen, unterliegen dem Irrglauben, dass die Daimons sie unsterblich machen können, indem sie ihnen in den Hals beißen und sie dadurch verwandelt werden. Das können sie nicht. Du wirst entweder als Apollit geboren oder nicht. Es gibt keinen Weg für die Apolliten, ihre Kräfte an Menschen weiterzugeben oder das Leben von Menschen zu verlängern.«
Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie nicht glauben, was er sagte. »Hast du eine Ahnung, wie schwer das zu glauben ist?«
»Tja, du glaubst vielleicht auch nicht an den Weihnachtsmann, aber das bedeutet nicht, dass es niemanden gibt, der am Weihnachtsabend Geschenke für die Kinder bringt.«
Sie runzelte die Stirn. »Was soll denn das bedeuten?«
»Es bedeutet, dass in jedem Mythos in der Regel ein gewisses Körnchen Wahrheit steckt.«
Susan drehte sich erschrocken um, denn diese Worte hatte eine andere Stimme gesprochen. In der Tür hinter ihr stand Leo. Sie konnte es nicht fassen, aber sie war tatsächlich sehr froh, ihn zu sehen.
»Hallo, Ravyn«, sagte Leo zur Begrüßung.
Ravyn neigte den Kopf.
Leos Blick
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