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In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McFadden
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– ob er damals diesen Beinamen erhielt? Ein Mann kalt wie Eis und hart wie ein eiserner Hammer?
    „Aber Ubbe hat auch gesagt, dass Thore von dir behext ist, und das heißt doch nicht anderes, als dass er dich liebt“, beharrte Papia. „Du musst ein wenig Geduld mit ihm haben. Ach, ich wäre so glücklich, wenn auch du bei uns bleiben würdest. Ich hatte niemals eine Freundin, Rodena. Bis ich dich traf.“
    Rodena streichelt Papias blondes Haar und schob sie dann sanft von sich. „Ich bleibe deine Freundin, Papia“, sagte sie zärtlich. „Doch Thore hat entschieden, dass ich gehen soll, und genau das werde ich jetzt tun.“
    Sie erhob sich und blickte noch einmal zum Drachenschiff hinüber, das jetzt auf der Seite im Sand lag. Thore war mit zwei anderen Männern beschäftigt, ein Zelt aufzustellen, und achtete nicht auf sie – es war gut so, denn sie hatte wenig Lust, von ihm Abschied zu nehmen. Mit eiligen Schritten lief sie am Strand entlang nach Westen, wo jetzt nur noch ein kleiner, tiefroter Sonnenbuckel auf dem Meer lag, der lange, rote Schleier über die ruhige Meeresoberfläche warf. Eine Weile hörte sie noch die Stimmen der Wikinger, das Gelächter, die deftigen Scherzworte, das Knacken der Hölzer im lodernden Feuer. Dann vernahm sie nur noch das Zischen und Lecken der Wellen im Sand und den Wind, der sacht an ihrem Gewand zupfte, während er ihr sein Lied in die Ohren blies.
    ***
    Sie lief dicht am Wasser entlang, wo der Sand feucht und fest war, wich zur Seite, wenn eine große Welle über den Strand flutete, und stieg über breite Ansammlungen schwarzer Muscheln hinweg. Hin und wieder war der schrille Ruf eines Wasservogels zu hören, der noch auf der Suche nach einem sicheren Schlafplatz war, und wenn der Wind böig auffrischte, sangen die Felsen.
    Nach einer Weile erlosch der rote Schein auf dem Wasser, und die Dämmerung setzte ein. Ein leises Knirschen hinter ihr veranlasste sie, sich umzuwenden, doch sie konnte zwischen dem Felsgeröll am Fuß der Steilwand nicht viel erkennen. Hatte sich dort irgendein Tier zur Nachtruhe zurückgezogen? Sie spürte eine seltsame Angst und eilte rascher voran.
    Wieder rollten Steinchen, loses Gestein knirschte unter schweren Fußtritten, sie drehte sich erschrocken um und erblickte eine große, dunkle Gestalt.
    „Was willst du von mir?“, rief sie zornig.
    „Dich schützen“, sagte Thores tiefe Stimme.
    „Ich brauche dich nicht“, gab sie giftig zurück. „Meine Göttin zeigt mir den Weg und sorgt für mich.“
    „Du irrst. Von nun an wird unser Weg der gleiche sein, Rodena, und du wirst für immer unter meinem Schutz stehen.“
    Sie lachte höhnisch auf. „Es ist nicht leicht, die Worte eines Wikingers zu deuten. Sagtest du nicht, du wolltest mich an der Küste absetzen, damit ich in meine Heimat zurückkehren kann?“
    Er bewegte sich langsam auf sie zu, und sie konnte trotz der Dämmerung erkennen, dass er unsicher und verlegen schien.
    „Das sagte ich“, gab er zu. „Aber ich nehme meine Worte zurück.“
    „Ach, du hast es dir anderes überlegt“, spottete sie. „Möchtest du nicht noch einmal genau nachdenken? Es könnte doch sein, dass du morgen wieder eine neue Meinung hast.“
    Er blieb einige Schritte von ihr entfernt stehen, senkte den Kopf und schwieg. Doch Rodena war viel zu aufgebracht, um sein Schweigen richtig zu deuten.
    „Was willst du von mir?“, schimpfte sie. „Ich bin eine Druidin, die dir die Wahrheit sagt, ein Weib, das klüger ist als ein Mann. Es war klug von dir, mich fortzuschicken, denn ein solches Weib ist für einen stolzen Wikinger nur schwer zu ertragen!“
    Er sagte immer noch kein Wort, widersprach ihr nicht, wehrte sich nicht gegen ihren Zorn. Doch er hob den Kopf ein wenig an und sah sie mit seinen hellen, grauen Augen an. Es war ein Blick voller Hilflosigkeit und Kummer, der gar nicht zu seinem sonst so selbstbewussten Gehabe passte. Rodena verstummte, denn es war schwer, unter diesem Blick nicht dahinzuschmelzen.
    „Vergib mir, Rodena!“, sagte er leise. „Ich wusste nicht, dass du es warst, die unser Leben gerettet hat. Alain Schiefbart hatte es mir verschwiegen – erst vorhin habe ich es von Ubbe gehört.“
    Sie zuckte die Schultern und tat, als sei dies nichts Besonderes. In Wirklichkeit verspürte sie tiefe Genugtuung darüber, dass er wusste, wem er sein Leben zu verdanken hatte. Aber der Ärger darüber, dass er nun wieder einfach über sie bestimmen wollte, ließ sich nicht unterdrücken.

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