In den Haenden des Eroberers
nicht gezeigt hatte, fragte sich so mancher, ob sie überhaupt noch lebte. Nur die Aussage ihrer beiden Dienerinnen, dass Lady Fayth wohlauf sei, hatte das Misstrauen gegenüber Giles ein wenig gedämpft.
Und nun dies.
„Das ist eine persönliche Sache zwischen Lady Fayth und mir“, sagte Giles.
„Nun, Mylord , das siehst du falsch. Denn diese ‚persönliche Sache‘ zwischen dir und deiner Dame wird sich wie ein Lauffeuer verbreiten, und bald schon wird jeder diesseits und jenseits der Burgmauern wissen, dass ihr die Ehe nicht vollzogen habt.“
Giles ließ seinen Blick über die Tische vor ihm gleiten. Stumme Blicke begegneten ihm, von Menschen, die es nie wagen würden, das Wort an ihn zu richten. Doch er konnte und würde die Ehe mit Lady Fayth nicht vollziehen, bevor er nicht die Wahrheit kannte. Zu einer Tat mit solch schwerwiegenden Folgen würde er sich nicht hinreißen lassen.
„Merde.“ Dieses Mal sprach er es laut aus.
„Ganz genau“, bestätigte Brice.
„Ich werde mich vor diesen Menschen nicht rechtfertigen, Brice“, presste Giles hervor. Wieder warf er einen Blick auf die Halle und die Anwesenden. Sein eigener illegitimer Geburtsstand machte die Sache für ihn umso delikater, und er würde diese Angelegenheit keinesfalls mit irgendjemandem bereden.
Was wussten diese Menschen schon? Ihr Leben spielte sich allein innerhalb dieser Mauern, in den engen Grenzen ihres Dorfes ab. Sie ahnten nicht einmal, was es Giles gekostet hatte, sich nach oben zu kämpfen, sich in seiner Heimat auf Turnieren Ruhm und Wohlstand zu erstreiten, um eines Preises wie dieser Burg endlich für würdig befunden zu werden. Das Leben dieser Leute drehte sich allein um ihre Herrin und deren Vater, um ihr Land, das Getreide und ihr Vieh.
Lady Fayth oder das Andenken an ihren Vater zu beleidigen, während sich im ganzen eroberten Land die Rebellen zusammenscharten, wäre nicht besonders klug. Natürlich hätte er den Leuten offenlegen können, welchen Verdacht er hinsichtlich der Unschuld ihrer Herrin hegte und dass Lady Fayth zudem in einen Plan verstrickt sein mochte, um ihm die rechtmäßige Herrschaft über Taerford streitig zu machen. Aber das hätte alles nur noch schlimmer gemacht und für Empörung, wenn nicht gar einen Aufstand gesorgt.
Er durfte nicht unüberlegt vorpreschen, sondern musste jeden weiteren Schritt sorgfältig abwägen und vor allem berücksichtigen, wie sein Gebaren vom Volk aufgenommen wurde.
„Du weißt, warum ich so handle, Brice. Was rätst du mir?“
Brice beäugte die Menschen, die in der Halle versammelt saßen, und sagte an Giles gewandt: „Du kannst schlecht rückgängig machen, was bereits geschehen ist, aber versuche zumindest, die Sache nicht noch zu verschlimmern.“ Er nickte in Richtung der stummen Missbilligung, die Giles vonseiten des Gesindes entgegenschlug. „Die Leute begreifen deine Situation vielleicht besser als du selbst. Sie kennen Lady Fayth und kannten ihren gefallenen Vater, und sie wissen, wer dir deine Position hier streitig macht und wo er sich aufhält.“
Brice sah Giles vielsagend an.
Aha, dachte Giles, also bin ich nicht der Einzige, der glaubt, dass die Verbindung zwischen Lady Fayth und Taerford zu den Gesetzlosen nie abgerissen ist. „Fahr fort“, forderte er Brice auf.
„Du weißt, was du zu tun hast, Giles. Denk an das, was Monseigneur Gautier uns geraten hat für den Fall, dass andere die Folgen unseres Handelns zu tragen haben.“ Brice beschrieb mit der Hand eine Geste, die nur Giles sehen konnte. „Behandle Lady Fayth mit Respekt, vollziehe die Ehe so bald wie möglich, und verfolge den Weg weiter, den du eingeschlagen hast.“ Brice senkte die Stimme. „Du bist noch unerfahren, was das Verhalten eines … Adligen angeht. Nun bist du ein Baron, ein Herr mit eigenem Reich. Das stellt dich vor ganz neue Herausforderungen, Giles, so wie mich in Kürze.“
Giles nickte. Als Bastard eines bretonischen Edelmanns hatte er nie zuvor über andere befohlen, mit Ausnahme der Männer, die sich ihm im Kampf an Herzog Williams Seite angeschlossen hatten. Ansonsten war er stets nur sein eigener Herr gewesen.
Bis jetzt. Nun hatte er Besitz. Und Macht.
„Und du, Brice? Was ist mit dir? Wirst du deinen weisen Rat ebenfalls beherzigen?“
Brice hob Giles den Becher entgegen und nickte ihm respektvoll zu. „Du jedenfalls wirst diesen Weg meistern. Was mich angeht, so kann ich nur hoffen, dass ich ihn genauso meistern werde, wenn ich vor ähnlichen
Weitere Kostenlose Bücher