In den Haenden des Eroberers
Durwyn schließlich den Eimer.
„Hier, das ist dafür, dass ich das ganze Wasser verbraucht habe“, meinte Giles lächelnd.
Hallam schob den Jungen in Giles’ Richtung, und Durwyn ergriff den Eimer und ging davon, darauf bedacht, so wenig wie möglich zu verschütten.
„Meinen aufrichtigen Dank für Eure Hilfe, Herr“, sagte Hallam und wich unter Verbeugungen zurück. Erst als Hallam wieder zu seiner Arbeit zurückgekehrt war, ging Giles auf, dass er einen Fehler gemacht haben könnte.
Er war jetzt Lord und kein Wasserträger oder Knecht, der noch unter der Fuchtel eines Herrn stand. Hier war er der Herr. Doch die Erinnerungen an vergangene Zeiten abzuschütteln, fiel Giles schwer.
Zu viele Jahre hatte er damit zugebracht, niedere, kräftezehrende Aufgaben zu verrichten und sich anzuhören, was für ein Niemand er doch war. Zu lange hatte er mit ansehen müssen, wie die vermeintlich Hochherrschaftlichen alles bekamen, wonach ihnen gelüstete, einfach nur aufgrund ihres Namens und ihrer Stellung.
Nur Simons Vater, der sich dreier Bastarde adliger Väter angenommen hatte, war immer der Meinung gewesen, dass Befähigung und Geschicklichkeit mindestens so viel wert seien. Er war es gewesen, der Giles, Brice und Soren von dem armseligen Dasein erlöst hatte, das für Bastarde wie sie vorgezeichnet war. Er hatte sie an der Seite seines eigenen Sohnes erziehen lassen und ihnen die Werte eingeprägt, die für ihn zählten: Gerechtigkeit, harte Arbeit und Vertrauen in die eigenen Fertigkeiten.
Diese Werte gerade jetzt zu beherzigen, wo Giles sich in seine neue Position einfinden musste, stellte seine Fertigkeiten und sein Ehrgefühl allerdings auf eine harte Probe. Es war jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung für ihn, die Grenzen zwischen den Ständen zu erkennen und auszuloten, wann er diese ignorieren konnte und wann er sie zu achten hatte. Versonnen blickte Giles dem Jungen mit dem Eimer nach und wusste, dass diese Herausforderung ihm erhalten bleiben würde.
Die Axt in die Hand zu nehmen und beim Wiederaufbau der Gebäude zu helfen, dürfte seinem Ansehen jedoch nicht schaden, denn es förderte Geschicklichkeit und Stärke, und dies waren Eigenschaften, über die ein Krieger verfügen musste. Den Wassereimer eines Burschen wieder aufzufüllen, zählte allerdings nicht dazu – das war Knechtsarbeit. Giles betrachtete den Hof. Überall waren noch Anzeichen der vergangenen Schlacht zu sehen. Angesichts der harten Zeiten, die ihnen allen bevorstanden, kamen ihm Standesdünkel herzlich lächerlich vor, und er schüttelte alle Vorbehalte ab. Was war schon Ehrenrühriges daran, Seite an Seite mit seinen Soldaten zu arbeiten, um die Burg für den drohenden Winter zu rüsten?
Der Pomp und das zeremonielle Gehabe des adligen Lebens mussten eben warten, bis ihrer aller Überleben sichergestellt war. Giles wandte sich um und ging mit langen Schritten zurück in den Hof, in Gedanken schon bei seinem nächsten Plan. Dieser Plan betraf Fayth, und Giles fragte sich, wie diese sein Vorhaben wohl aufnehmen würde.
Fayth schritt den gesamten Wohnturm ab, erkundigte sich nach dem Wohlergehen eines jeden, den sie traf, und befragte die Menschen nach dem Verbleib Vermisster – die, wie sie erfuhr, entweder tot waren oder die Burg mit Edmund verlassen hatten. Tief bekümmert vernahm sie die Namen der Soldaten ihres Vaters, die während des Angriffs gefallen oder ihren Wunden erlegen waren. Es schmerzte sie zu hören, dass zahlreiche Dorfbewohner ebenfalls verwundet worden waren oder mit ansehen mussten, wie ihre Katen und Felder von den Angreifern niedergebrannt wurden. Dabei hatten diese einfachen Menschen sich nichts zuschulden kommen lassen, sondern einfach nur überleben wollen.
Und ihr Herz zog sich zusammen, als sie erfuhr, wie viele Männer mit Edmund ins Exil gegangen waren. Fayth war mit ihnen allen aufgewachsen, und die Erfahrung und das Geschick dieser Menschen hätten schon in Friedenszeiten einen herben Verlust dargestellt – ganz zu schweigen jetzt, in den harten Zeiten des Krieges.
Das Einzige, was Fayth hoffnungsfroh stimmte, war, dass der neue Lord gerecht zu den Menschen zu sein schien. So hatte er sich direkt an den Koch gewandt und versprochen, dass seine Tochter Ardith keine Übergriffe mehr zu befürchten habe. Er hatte so manchen Dorfbewohner auf die schützende Burg geholt und dafür gesorgt, dass es ihnen allen weder an Obdach noch an Nahrung mangelte. Und er hatte niemanden einkerkern lassen,
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