In den Haenden des Eroberers
erwiderte Roger und nickte in Richtung einiger Krieger, die ebenfalls in die Halle getreten waren.
Auf ein Signal hin, das Fayth nicht wahrnahm, drängten die Soldaten Frauen und Kinder an der Mauer zusammen und postierten sich selbst vor der Gruppe. Tische wurden umgekippt und zu einem Schutzwall zusammengeschoben, der mögliche Eindringlinge von den Schwächsten der Burgbewohner fernhalten sollte. Die Fensterläden hoch oben in der Mauer wurden geschlossen, sodass kein Sonnenlicht mehr eindringen konnte, aber auch keine Pfeile, die der Feind vielleicht abschoss.
Fayth seufzte innerlich. So hatte sie sich diesen lieblichen Herbsttag wahrlich nicht vorgestellt.
6. KAPITEL
F ayth hob ein kleines Mädchen auf den Arm und versuchte es zu beruhigen, während dessen Mutter ihre anderen Kinder tröstete. Auch wenn die Kleinen nicht begriffen, was vor sich ging, spürten sie doch die Gefahr und begannen zu wimmern und zu weinen, als sich die Läden schlossen und die Halle in Finsternis tauchten. Alles, was geschah, ließ in Fayth erneut die Erinnerungen an den letzten, nur wenige Wochen zurückliegenden Angriff auf die Burg durch Lord Giles’ Männer wieder aufleben. Ihr schlug das Herz in der Brust, und rastlos begann sie, auf und ab zu gehen, um das Kind auf ihrem Arm ebenso zu beruhigen wie sich selbst.
War es vielleicht Edmund, der kam, um sie zu retten und die bretonischen Übeltäter von ihrem Land zu vertreiben? Oder hatten andere loyale Angelsachsen sich zusammengeschlossen, um Herzog William aus England zu jagen? Würde es erneut zu Blutvergießen kommen? Wie viele würden diesmal sterben? Die Fragen überschlugen sich in ihrem Kopf, und Fayth hoffte inständig, dass keine weiteren Menschen zu Tode kommen würden.
Von draußen im Hof drangen laute Rufe zu ihnen herein, und Roger wies sie an, sich hinter den Tischen auf den Boden zu kauern. Fayth flüsterte dem Mädchen ermunternde Worte zu, ohne selbst an sie zu glauben. Roger gab seinen Männern mit einem Zeichen zu verstehen, dass sie sich bereithalten sollten, und raunte einige Befehle, die Fayth nicht verstand. Die Zeit verstrich, ohne dass sich draußen oder drinnen etwas tat.
Da kein Schlachtenlärm zu hören war, stieg in Fayth die leise Hoffnung auf, dies alles könne ohne Gewalt vorübergehen. In der Halle wuchs die Anspannung, dann endlich waren die Schritte der Soldaten zu hören, die sich näherten. Alle spähten angestrengt über die Barrikade zur Tür, die in den Hof hinausführte. Gleich mochten die Angreifer über sie hereinbrechen.
Jetzt pfiff draußen jemand, und Rogers Männer entspannten sich. Dennoch blieben sie in Position, bis die Tür aufging und Lord Giles gefolgt von einer Truppe Soldaten eintrat. Mit einem Nicken half Roger Fayth, sich zu erheben, hieß sie aber, an seiner Seite zu bleiben, bis Giles bei ihnen war.
Es vergingen einige Augenblicke, denn Giles sprach hier und dort mit seinen Männern, gab Anweisungen und stellte Fragen, aber alles in verhaltenem Ton, sodass Fayth nichts verstand. Schließlich wandte sich Giles an Roger.
Die beiden Männer redeten eine Weile miteinander und warfen Fayth dann und wann Blicke zu, die sie nicht zu deuten wusste. Fayth war versucht, die Tische eigenhändig beiseite zu schieben und die Halle zu verlassen, doch dann ging ihr auf, dass sie wertvolle Informationen erlangen mochte, wenn sie den Männern zuhörte – über Edmund vielleicht oder andere Normannen, die in der Gegend ihr Unwesen trieben. Aber Giles und Roger unterhielten sich im Flüsterton, und Fayth erfuhr weder etwas über die Identität der Reiter noch über Edmunds Verbleib.
Endlich wurden die Tische beiseite geräumt, und Lord Giles kam auf sie zu, streckte ihr die Hand entgegen und führte sie von der Gruppe fort.
„Ihr folgt Befehlen sehr bereitwillig, Mylady“, stellte er fest, als sie die Tür zum Hof hinaus erreichten. Mit einem Nicken gab er zu verstehen, dass er dies guthieß.
„Ich hatte nicht den Eindruck, eine Wahl zu haben“, entgegnete Fayth. „Wer waren die Angreifer?“ Sie entzog Giles ihren Arm. Zu sehr erinnerte sie das Gefühl seiner metallenen Rüstung an ihre erste Begegnung in der Kapelle. Ein Schauer überlief sie.
„Die unseligen Folgen des Krieges“, sagte Giles und erteilte weitere Anweisungen an seine Männer, bevor er Fayth erneut seine Aufmerksamkeit zuwandte. Fayth fiel auf, dass die Soldaten seinen Befehlen anstandslos folgten, ein Hinweis darauf, dass sie alle schon seit Jahren
Weitere Kostenlose Bücher