In den Haenden des Eroberers
dem Schatten und ging zurück zu Emma, die sich mit ein paar älteren Frauen aus dem Dorf unterhielt. Fayth lauschte dem Getuschel, konnte den Blick aber nicht von dem Mann abwenden, der nun ihr Gemahl war.
Sie betrachtete seine breiten Schultern, die muskulösen Arme und Beine. Er war nicht stämmig, wie ihr Vater es gewesen war, sondern hochgewachsen und überragte all seine Männer bis auf einen, der Brice hieß und der wie Giles nur noch sein Beinkleid trug. Beide Männer standen nebeneinander und maßen sich in irgendeinem Wettstreit, denn bei jedem Axthieb jubelten ihre umstehenden Kameraden entweder dem einen oder dem anderen zu.
Auf einen Ruf aus der Menge hin wandte Giles sich um und gab Fayth den Blick auf seine ebenfalls durchtrainierte Brust frei, auf der sich Haar kräuselte, das sich als schmaler Streifen in seinem locker gegürteten Beinkleid verlief. Wie sich dieses Haar wohl anfühlte? Die geschmeidigen Muskeln an Brust und Bauch spannten sich, während Lord Giles die Axt ein ums andere Mal hob und niederfahren ließ, zeitgleich mit der seines Freundes. Plötzlich fiel Fayth das Luftholen schwer, und ihr wurde heiß. Sie streifte den Umhang ab, löste den Schleier um ihren Hals und versuchte, tief durchzuatmen.
„Gebt nur her, Mylady.“ Emma nahm ihr den Umhang ab und hängte ihn sich über den Arm. „Ihr wirkt erhitzt.“ Die Kammerfrau befühlte Wangen und Stirn ihrer Herrin. „Gott sei gedankt, ein Fieber ist es nicht, es scheint nur …“
Der Satz blieb unvollendet, und Fayth merkte, dass die drei Frauen ihrem Blick gefolgt waren und nun das Objekt ihrer Betrachtungen ebenfalls in Augenschein nahmen. Sie tauschten wissende Blicke und nickten Fayth amüsiert zu.
„Nur keine Sorge, Mylady. Der Reiz verfliegt schnell“, sagte Alfrida, die Frau des Schmieds, und lächelte vielsagend.
„Na, vielleicht auch nicht“, warf Riletta, die Gerbersfrau, ein.
Die drei anderen sahen sie an und brachen dann in Lachen aus – so laut, dass der Mann, der Anlass ihrer Heiterkeit war, sich umwandte und in ihre Richtung blickte. Fayth spürte, dass sie rot wurde, und hoffte, dass Giles es aus dieser Entfernung nicht bemerkte. Sie wollte sich den Schleier tiefer ins Gesicht ziehen, hielt sich dann aber zurück.
Fayth hatte die Frauen schon oft über Männer und die Abenteuer des Ehelebens plaudern hören. Bislang hatte sie dem Geschwätz kaum Beachtung geschenkt, denn ihre eigene Verheiratung war ihr immer wie ein weit entferntes Ereignis erschienen, und als junges Mädchen hatte sie sich für solcherlei Dinge nicht interessiert. Als ihr Vater dann aber verkündet hatte, dass sie vielleicht mit einem entfernten Cousin aus Schottland verlobt werde, hatte das Gerede mit einem Mal einen ganz neuen Reiz für sie bekommen, und Fayth hatte den Schilderungen öfter gelauscht, als es sich für eine Jungfrau schickte.
Nun war sie selbst verheiratet, und zwar mit einem Mann, dessen Verhalten und Wünsche manchmal offensichtlich und dann wieder ein Rätsel waren. Die Anspielungen der Frauen hatten einerseits etwas Beängstigendes, doch andererseits schwang auch etwas Verheißungsvolles mit. Fayth spürte ihren Mund trocken werden bei dem Gedanken daran, wie Lord Giles sie an seine breite Brust zog – an eben die Brust, die sie nun unverhüllt vor sich sah. Bevor sie sich aber mit einem Wort oder einer Geste weiter in Verlegenheit bringen konnte, zerriss ein schrilles Pfeifen die Luft. Fayth suchte nach der Quelle des Pfiffs und sah, dass die bretonischen Soldaten von der Palisade kletterten.
Alle Ritter und Soldaten im Hof legten umgehend ihre Waffen an. Fayth fragte sich noch, was sie tun oder wohin sie sich wenden sollte, als auch schon einer der Männer an ihrer Seite war. Roger hieß er, meinte sie sich zu erinnern.
„Kommt, Mylady“, sagte er und fasste Fayth am Arm. „Mein Herr will, dass ich Euch und die übrigen Frauen in den Wohnturm bringe, wo es sicher ist.“
Noch während er sprach, führte er Fayth schon in Richtung der schützenden Mauern. Die übrigen Frauen folgten. Fayth wandte sich noch einmal um und sah, wie ihr Gemahl sein Hemd überstreifte, während sein Knappe gepolsterten Gambeson , Kettenhemd und Waffen bereithielt.
„Was geht hier vor?“, fragte Fayth, als sie forschen Schrittes die große Halle betraten, wo bereits alle Frauen und Kinder versammelt waren.
„Es nähern sich Reiter, und Lord Giles ist sich über deren Absichten im Unklaren. Aber hier seid Ihr sicher“,
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