In den Haenden des Eroberers
Seite an Seite kämpften und arbeiteten. „Nicht alle Gefolgsleute des Herzogs sind bereit, auf ihren gerechten Lohn zu warten, und verlassen London, um nach leichter Beute Ausschau zu halten und sich selbst zu entlohnen.“
„Überrascht Euch etwa dieser Mangel an Ehre unter Schurken?“
Die Worte waren heraus, bevor Fayth über die Folgen nachdenken konnte, und diese kamen prompt. Giles packte ihren Arm, zog sie zum Fuß der Treppe und ruckte das Kinn in Richtung der Stufen.
„Begebt Euch in Eure Gemächer und bleibt dort, bis ich nach Euch verlange“, wies er sie laut an. Er winkte Roger herbei. „Geleite Lady Fayth zu ihrer Kammer und melde dich dann bei mir.“
„Mylord“, setzte Fayth an.
Sie hätte es besser wissen sollen und ihn nicht provozieren dürfen, besonders nicht nach einer solch brisanten Situation wie der gerade durchlebten. Aber in der finsteren Halle auf einen erneuten Angriff auf ihre Burg und ihr Volk zu warten, hatte an ihren Nerven gezehrt, und so war das Temperament mit ihr durchgegangen. Nun wusste sie nicht, wie sie ihre Worte zurücknehmen sollte, und zudem schmeckte die Entschuldigung, die ihr auf den Lippen lag, recht schal. Da aber Lord Giles nun einmal das Sagen hatte, musste sie diese Lektion in Demut wohl oder übel in Kauf nehmen, wenn sie sich nicht als Gefangene unter ihrem eigenen Dach wiederfinden wollte.
Giles sah sie noch einmal an und wollte sich gerade abwenden, als Fayth ihn am Arm fasste. „Diese schreckliche Situation hat mich wohl die Beherrschung verlieren lassen, Mylord. Bitte vergebt mir die unbedachten Worte.“
Fayth wirkte keineswegs verschreckt oder unbeherrscht, aber Giles sah davon ab, sie der Lüge zu bezichtigen, auch wenn sie ihn gerade erst einen Schurken genannt hatte. Nicht etwa Angst, sondern verhaltener Stolz funkelte in ihren Augen. Und noch etwas anderes, das er nicht recht zu deuten wusste, das ihn aber beinahe dazu verleitete, ihr die demütige Maske doch in aller Öffentlichkeit vom Gesicht zu reißen.
Aber vor Einbruch der Dunkelheit gab es noch viel zu tun, und Giles hatte keine Zeit, hier zu stehen und die Gedanken und Motive dieser Frau zu entschlüsseln. Das Gute an dem Beinahe-Angriff war, dass er Giles die Schwachstellen in seiner Verteidigungsstrategie vor Augen geführt hatte. Er musste die Anzahl und Verteilung von Männern und Waffen ebenso wie seine Taktik überdenken. Bevor dieser Ort gesichert war, musste noch viel geschehen – allein die Tatsache, dass es sich nicht um Feinde, sondern Verbündete gehandelt hatte, hatte sie heute vor Schlimmerem bewahrt.
„Nun gut, Mylady. Ich überlasse es Euch, für Ordnung in der Halle zu sorgen und die Frauen wieder an die Arbeit zu schicken.“
Fayth neigte den Kopf, ein Nicken und fast schon eine Verbeugung, dann wandte sie sich den ihr zugewiesenen Aufgaben zu. Giles war das Lächeln nicht entgangen, das kurz über ihre wundervollen Lippen gehuscht war. Also war es so, wie er geargwöhnt hatte – ihre demütige Haltung war gespielt gewesen. Lady Fayth folgte einer ganz eigenen Strategie.
Ein Teil von Giles drängte darauf auszuholen und ihre Kampfeslust zu brechen, aber er wusste, dass er diese Dame und ihre Unterstützung brauchte. Sich offen zu bekriegen hieße, die Burg und ihre Bewohner zwischen zwei Fronten zu zermürben, sodass sie Angriffen von außen nichts entgegenzusetzen hätten. Oh, natürlich könnte er sie bestrafen. Aber Giles wusste, dass er sich das Wohlwollen der Leute, das er sich durch die Szene mit dem Wasserburschen im Hof erlangt haben mochte, wieder verspielen würde, wenn er ihre Herrin für etwas züchtigte, das in ihren Augen banal erscheinen musste.
Also überließ er Fayth ihren Aufgaben und verließ die Halle. Seine Befehlshaber Roger, Lucien und Matthieu waren Männer, an deren Seite Giles seit vielen Jahren kämpfte. Sie kannten ihn so gut, dass er im Hof ein bereits gesatteltes Pferd und sechs bewaffnete Soldaten vorfand. Giles saß auf, ließ sich von seinem Knappen Martin den Schild reichen und ritt an der Spitze des Trupps durchs Tor, das umgehend wieder geschlossen wurde.
Es würde Stunden dauern, bis er seine gesamten Ländereien abgeritten und nach Aufständischen durchforstet hatte, die durch die Ankunft der Normannen heimatlos geworden waren oder sich den Rebellen aus freiem Willen angeschlossen hatten. Und zunehmend mehr wurden zu Heimatlosen, da Herzog Williams Soldaten auf ihren Raubzügen immer weitere Kreise um London
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