In den Häusern der Barbaren
und Zischen ansprangen; ihr gelbes Leuchten sog seltsamerweise alle Farbe aus dem Straßenbild und ließ das nächtliche Geschehen wie einen Schwarz-Weiß-Film aussehen. Viele Monate lang hatten Ereignisse ganz am Rand von Tomás’ Sichtfeld die Geschichte des Viertels beherrscht: an der Ecke der Calvino Street, unter einer Straßenlampe, die erst vor Kurzem von einem Trupp städtischer Arbeiter repariert worden war, mit so einem Kranlastwagen mit Korb daran, der einen Mann in die Luft hob. Eine Gruppe junger Männer versammelte sich immer unter dieser Straßenlampe, nicht wegen des Lichts (das sie immer wieder mit Steinen kaputt warfen), sondern wegen der Zeichen, die sie aufs Metall des Laternenmasts gemalt hatten, ein Gewirr von Buchstaben und Kringeln, das den Mast wie einen steif gestreckten, tätowierten Arm aussehen ließ. Hier hielten die jungen Männer ihre Zusammenkünfte ab, lauschten mit Händen in den Taschen, wie die Gruppenmitglieder abwechselnd Reden hielten, und dann rangen sie miteinander und spielten Schattenboxen, und manchmal griffen sie sich auch einen Jungen und prügelten auf ihn ein, wobei sie bis dreizehn zählten. Inzwischen waren die Graffiti am Laternenmast verschwunden, und die jungen Männer versammelten sich nicht mehr dort, denn sie waren zum Kämpfen in ein anderes Viertel gezogen, hatte Tomás gehört, und danach war der Platz unter der Lampe einige Wochen von gelangweilten Polizisten mit schweren Augenlidern besetzt gewesen.
Nachdem die jungen Männer verschwunden waren, kamen andere Leute auf die Straße hinaus, erzählte Tomás. An manchen Abenden spielten die Männer aus den Fabriken Fußball und nutzten den nicht mehr tätowierten Laternenmast als Torpfosten, und ihre Rufe, ihre Pfiffe, ihr Gelächter hallten von den Gebäuden wider. Eine Teenagerin saß immer in der Haustür einer Wohnung direkt hinter der Lampe, und monatelang war ein gleichaltriger Junge gekommen und hatte sie umworben. Jeden Abend unterhielten sie sich ein oder zwei Stunden lang an der offenen Tür, das Mädchen ein verlegener Schattenriss vorm Kaleidoskop des Fernsehlichts hinter der Tür. Einmal war sie heruntergekommen und hatte sich neben dem Jungen auf die Stufen gesetzt, sie hatte ihren Rock heruntergezogen und die Träger ihres Oberteils zurechtgezupft, und ihr Bein berührte das des Jungen, bis der massige Schatten ihrer Mutter im Türrahmen erschien. Tomás sagte, acht Abende hintereinander habe er zugesehen, wie die beiden miteinander redeten, bis der Junge nicht mehr gekommen war und das Mädchen allein auf den Stufen zurückblieb, mit den Ellbogen auf den Knien, wartend. Nach zwei Abenden war sie nach drinnen gegangen, ins Fernsehzimmer, und Tomás hatte seitdem ein seltsames, beständiges Verlangen, sie wiederzusehen, was jedoch nicht geschah.
Auf dieser Seite, weiter rechts, auf dem Gehweg unter der Lampe an der Ecke 39th Street und Broadway, war eines Abends ein Straßenhändler aufgetaucht und hatte Spielzeug verkauft – Transformer –, und das zu einem Preis, der die Leute von weither angelockt hatte. Als sich eine immer größere Menge um seine Ware drängte, hatte er Héctor und Tomás je einen Transformer geschenkt. In der nächsten Woche waren weitere Händler aufgetaucht, Männer und Frauen, die Spielzeugautos aus Metall, Ballons, Puppen und andere aus Plastik produzierte oder in Plastik verpackte Dinge verkauften. Es wurden immer mehr Käufer, sodass schließlich auch Imbisswagen angelockt wurden, die Churros und Hotdogs anboten. Die Straßenhändler hatten gelacht und ihre Waren ausgerufen und weitere Besucher von außerhalb angezogen, die Plakate an die Laternenmasten klebten, und schließlich wurden die Menschenmassen auf der engen Straße so groß, dass sie den Samstagabendverkehr blockierten. Also waren die Streifenwagen zurückgekehrt, ihre Blinklichter hatten einen rosigen Schein über die Gewerbebauten geworfen, über die Wohnungen und Bungalows; und die Händler verschwanden wieder. Die einzige verbliebene Erinnerung an diesen lärmenden Marktplatz, sagte Tomás, waren die kaputten Transformer, die Héctor und er immer noch hatten, und die Plakate am Laternenmast gleich neben ihrem Haus, zwei oder drei Schichten, deren Papier sich langsam aufrollte und abschälte. Tomás zeigte darauf, und Brandon stand kurz auf, nahm den Laternenmast von den Verandastufen aus in Augenschein und sah halb verwitterte Worte und Bilder.
»Los Tu-ca-nees de-el Nor-tee«, las er langsam und
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