Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
Vom Netzwerk:
Pappmascheeschwertern kamen ihr zuvor: Brandon und Keenan, die zur Tür rasten und beim Laufen ihre Helme auf dem Kopf festhielten. Araceli hörte ohne Erheiterung, wie sie über die Shakespearezeilen stolperten, die Maureen ihnen zu sagen aufgetragen hatte: »Freunde! Römer! Bürger …«, fing Keenan an und stockte, ehe Brandon vollendete: »Gebt mir eure Ohren!«
    »Wie süß!«, riefen die überpünktlichen Gäste. »Kleine Römer!«
    Als die zweite und dritte Gruppe exakt zur erbetenen Stunde auftauchten, waren die Jungen schon mit den Kindern der ersten Gäste im Spiel versunken. Maureen und Scott hatten hinten im Garten zu tun, weshalb Araceli den invitados die Tür öffnen musste.
    »Wir sind wegen Keenans Party hier?« Eine Amerikanerin mit unbestimmt asiatischen Gesichtszügen und ihrem Ehemann im Schlepptau versuchte an Araceli vorbei ins Innere des Hauses zu spähen. Ihre Miene ließ darauf schließen, dass sie dort wundersame Dinge erwartete.
    »Sí, adelante.« Aber eigentlich wollte Araceli sagen: Wieso müsst ihr Leute bei einer unverbindlichen Zusammenkunft so tun, als wärt ihr zu einem Raketenstart eingeladen? Wieso tickt bei euch allen der Countdown im Kopf? Wie soll ich diese sopes fertigkriegen, die la señora Maureen haben will, wenn ihr ständig an der Tür klingelt? In Mexiko verstand es sich von selbst: War man zu einer Party um ein Uhr eingeladen, hieß das, die Gastgeber würden gegen eins beinahe fertig sein und die ersten Gäste frühestens eine Stunde später eintreffen. Hier macht man es anders. Die pünktlichen Gäste gingen an ihr vorbei, sagten bewundernd Oh und Ah zur Dekoration im Wohnzimmer, zu den mit römischen Lettern beschrifteten Pappschildern, die rechts und links vom Chesterfield-Sofa HAPPY BIRTHDAY KEENAN und VIII verkündeten, zu den dorischen Säulen aus Styropor, auf denen Helmnachbildungen aus Plastik lagen. Araceli kannte dieses Paar und die anderen Gäste, die folgten, von früheren Feiern. Das waren Leute, die sie häufiger gesehen hatte, als sie bei den Torres-Thompsons anfing und el señor Scott noch seinem eigenen Unternehmen vorstand. Diese Leute kamen in den selbstbewusst lässigen Outfits, die Südkalifornier auf ihren Wochenendpartys trugen: Baumwollshorts und Ledersandalen, die Jeans so weiß gebleicht wie der Sommerhimmel über dem Orange County, und T-Shirts, die ein paarmal zu oft gewaschen waren. Ihre jefa wollte alles »genau richtig«, und jetzt hielten diese Frühankömmlinge in ihren ungebügelten Naturtextilien Araceli davon ab, die ihr aufgetragenen Aufgaben zu erledigen. Wie diese Menschen sich kleideten, stand deutlich im Kontrast zu ihrer übertriebenen Pünktlichkeit: Sie waren wie Kinder, die sich an ihre liebste Kuscheldecke oder ihr Lieblingshemd klammerten. Komfort war ihnen wichtiger als ihr Erscheinungsbild, und entweder war es ihnen nicht bewusst, oder es war ihnen egal, welch unschönen Anblick sie der überarbeiteten mexicana boten, die sie begrüßen musste. Wie enttäuschend, wenn man sich so viel Mühe gab, das Heim für eine gepflegte Gesellschaft herzurichten, und dann so ungepflegte Gäste begrüßen musste.
    »Hallo, ich habe Kekse für die Party mitgebracht«, sagte die nächste Frühkommerin. »Kann ich die bei Ihnen loswerden?«
    Die Frau mit den Chocolate Chip Cookies war Carla Wallace-Zuberi, Kommunikationschefin der nicht mehr existierenden Firma »MindWare Digital Solutions«. Carla war eine eher rundliche weiße Frau osteuropäischer Abstammung mit viereckiger Sonnenbrille und mütterlicher Ausstrahlung, und sie wartete etwas unschlüssig am Eingang auf ihren Mann, der mit ihrer Tochter aufs Haus zukam. Ihr Blick fiel schließlich wieder auf Araceli, die ein paar unverschämte Augenblicke lang prüfend auf die Kekse sah. Carla Wallace-Zuberi war stolz darauf, dass sie ein Auge für starke Persönlichkeiten hatte, und diese hier füllte einen ganzen Raum aus, und das nicht nur, weil sie ein wenig größer war als die meisten anderen mexikanischen Hausangestellten. Araceli trug das Haar in zwei straffen, faustgroßen Knoten knapp über den Ohren zusammengebunden, eine absurde Frisur, die an eine verwirrte deutsche Kleinbäuerin denken ließ. Das Einzige, was diese Mexikanerin mit ihrem zurückgebundenen Haar erreicht, ist ein sehr strenger Look – aber vielleicht ist genau das ihre Absicht. Ein kleines Büschel Haare, nur ein paar Fransen, standen von Aracelis Stirn ab, was an den Federbausch der Schopfwachtel

Weitere Kostenlose Bücher