In den Häusern der Barbaren
beseitigen sollte.
»Du kriegst doch keine Dialyse mehr, oder, Tyler?«, fragte Maureen, da sie wusste, dass er sich auf diesem Geschäftstrip eine lebensgefährliche Niereninfektion eingefangen hatte.
»Nein, seit zwei Jahren nicht mehr.«
»Gott sei Dank.«
MindWare war von Maureens Sorge um das Wohlergehen der Mitarbeiter zusammengehalten worden und von Scotts technischer Kreativität und seinem gesunden Menschenverstand. Alle mochten Scott und Maureen, und die Ehemaligen von MindWare, die aus Kalifornien weggezogen waren, planten ihre Sommerferien immer so, dass sie zu Keenans Partys kommen konnten. Carla Wallace-Zuberi wies gerade alle auf Scott hin, der neben der brummenden Motorpumpe stand und Luft in die Hüpfburg blies, in Kakishorts, Sandalen und einem Oxfordhemd mit hochgekrempelten Ärmeln.
»Scott, das Haus sieht toll aus. Und die Kinder sind so groß.«
»Ja, die wachsen einfach immer weiter, egal, was wir dagegen tun.« Jeden Geburtstag sind wir alle ein bisschen schwerer , bemerkte Scott, ein bisschen schlaffer, unsere Augen ein bisschen stumpfer. Der Einzige, der vollkommen unverändert schien, war der Big Man: Sasha Avakian, früher Spendensammler für die Unabhängigkeit Armeniens, der in seinem zweiten Leben als kalifornischer Unternehmer drei Risikokapitalgeber überzeugt hatte, in MindWare und seine vielen Ableger zu investieren, darunter Virtual Classroom Solutions und Anytime Anywhere Gaming , von denen einige immer noch existierten, allerdings nicht mehr unter der Kontrolle oder auch nur Mitarbeit der Menschen, die sich heute im Garten der Torres-Thompsons versammelten.
»Rom ist also diesmal das Thema, ja?«, sagte Avakian. »Eine Armee aus kleinen Legionären – und wir Eltern sind die Vandalen!«
»Es gibt immer ein Thema. Keine Party ohne Thema!«
»Letztes Mal hattet ihr die Zauberernummer. Und irgendwann mal was mit Astronauten. Mein Lieblingsmotto war die Safari, dieses Entdeckerthema. Das war vor zwei Jahren, oder?«
»Stimmt«, warf Maureen ein, ohne ihren Gast anzuschauen – sie hatte Samantha an der Schulter, versuchte sie in den Nachmittagsschlaf zu wiegen und behielt gleichzeitig den noch leeren Swimmingpool und die Hüpfburg im Blick, wo sich zwei kleine Zenturionen zwischen den Sprüngen mit dem Schwert zu schlagen versuchten.
»Woher nimmst du bloß die Zeit, solche Sachen zu machen, Maureen?«, fragte Sashas Frau. »Mit drei Kindern?«
»Araceli«, sagte Maureen und wandte sich wieder ihren Gästen zu. »Sie ist ein Gottesgeschenk.«
Maureen sah Araceli mit einem Tablett voller Drinks auf die Gäste zukommen und fand ein weiteres Mal Trost in der Zuverlässigkeit ihrer Angestellten. Sicher, Guadalupe würde jetzt nicht so grimmig gucken, sondern lachen und in schlechtem Englisch mit den Gästen scherzen. Aber Araceli musste man nie zweimal sagen, was zu tun war.
Auf Aracelis Tablett stand eine Reihe bläulicher Gläser mit einer Sangria-Mischung, die Maureen für die Sommerpartys zubereitete. Jeder Drink war mit Eiswürfeln gekühlt, die Araceli aus einem Dutzend Formen gebrochen hatte, weil Maureen unbedingt Halbmond-Eisstücke in den Gläsern haben wollte. Araceli sah zu, wie jeder Gast sich ein Glas mit den zum baldigen Schmelzen verurteilten Halbmonden nahm, und ging mit dem leeren Tablett in die Küche zurück, um weitere Horsd’œuvres zu holen. Als sie zurückkehrte und diese den Gästen servierte, nahm sie die wenigen, die so höflich waren, ihr zu danken, nicht zur Kenntnis und warf der Frau von Tyler Smith aus dem Augenwinkel einen bösen Blick zu, als sie Gracias sagte. Ich spreche Englisch , wollte Araceli sagen. Nicht viel, aber »Danke« gehört schon seit der vierten Klasse zu meinem Vokabular. Auf einem dieser Gänge traf sie la señora Maureen, die mit dem Babyfon in der Hand zurück in den Garten kam. Araceli wusste nicht mehr, wie oft sie schon mit Drinks und Snacks hin und her gelaufen war. Schließlich kam der kulinarische Höhepunkt, ihre sopes , die kalifornische Variation von einem Rezept ihrer Tante. Die sopes hatten ihr Dasein gestern Abend als Maismehlteigkugeln in Aracelis Händen begonnen. Jede Kugel war frittiert und mit Hass-Avocados, gehacktem Koriander, Strauchtomaten und weißem Oaxaca-Käse garniert worden, sodass Araceli den Partygästen nun die Farben der mexikanischen Flagge präsentieren konnte. Davon könnte ich fünf selber essen , dachte sie. Wenn ich schnell genug durchgehe, bleibt vielleicht was über.
Big Man
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