Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
Vom Netzwerk:
Liebe und weniger scharfen Gewürzen zubereitet, und erst als Lupe und María und Soledad am Abend in ihre gemütlichen, unordentlichen Apartments in South Central und Compton zurückkehrten und den Fernseher oder das Radio einschalteten, hörten sie die frohe Kunde, dass Araceli Noemi Ramirez auf freiem Fuß und von allen Vorwürfen exonerada war.
    Die spanischsprachigen Sender unterlegten die Aufnahmen von der freigelassenen Araceli mit einem Kommentar aus dem Off, dessen Unterton kaum verhohlen triumphierend war; anschwellende Stimmen, wie man sie nach Fußballsiegen und prominenten Geburten hört. »Salió una mujer libre, con la cebeza alta, y digna.« Es war alles nur ein Missverständnis gewesen, vermeldeten die Stimmen seufzend. Die Vorwürfe gegen Araceli waren inzwischen fallen gelassen worden, die ganze Sache war kaum mehr als eine unliebsame Falte in der frisch gestärkten Decke des Verantwortungsbewusstseins gewesen, für das die lateinamerikanischen Kindermädchen berühmt waren. Una mala comunicación . Alle Gespräche hatten nun den gleichen Refrain: »La soltaron« , sie war frei, sie war entronnen. Die Feststellung floss beiläufig in Telefonate ein, die sich bald wieder um Alltägliches drehten, um banalen Klatsch und melodramatischen Tratsch über Schulveranstaltungen und comadres , die schon wieder schwanger waren, um frei gewordene Stellen in »casas buenas« und um das entnervende Verhalten der Arbeitgeber in »casas malas«. Sie hatten Araceli laufen lassen, und die Normalität war wieder eingekehrt, bis zum nächsten Morgen, als in der Dämmerung der nächste Arbeitstag begann und Lupe und María und Soledad die fremden Küchen und Schlafzimmer betraten und den Frauen ins Gesicht blickten, die sie angestellt hatten, den jefas . Sie sahen Mundwinkel, die lächelnd nach oben strebten, flachsblonde Augenbrauen, die sich in wohlwollender Zufriedenheit aufbäumten wie gelbe Raupen: Ja, ich kenne dich, du bist meine Lupe, meine María, meine Soledad. Du bist wieder da, auf die Minute pünktlich, du wirst deine kastanienbraunen Hände bewegen und diese Laken und Bettdecken richten, du wirst das Fett von der Küchenarbeitsplatte kratzen und die Ameisen verjagen, du wirst meinem kleinen Sohn die Windeln wechseln, und ich werde dich hier in meinem Nest allein lassen, allein mit meinem Kind und meinem Hab und Gut, denn wenn ich nun die Augen schließe, dann kann ich es deutlich spüren, das Vertrauen.
    Maureen nahm Scott ins Wohnzimmer mit, wo Staatsanwalt Goller allein an der Tür stand und sie mit dem aufmerksamen Blick eines Trauzeugen empfing, der vor dem Altar auf Braut und Bräutigam wartet. Als Maureen zum Türknauf griff, lächelte er sie aufmunternd an, legte ihr einen Arm um die Schulter und beugte sich hinunter, um sotto voce zu sprechen, auch wenn ihn außer Scott niemand hören konnte.
    »Da draußen wartet ein Dutzend Reporter. Lassen Sie sich davon nicht einschüchtern.« Er führte sie ans Panoramafenster und zog den Vorhang ein Stück beiseite, um ihr die eindrucksvolle Ansammlung von Lampen und Antennen vor dem Haus zu zeigen. Für Maureen sah es nach einer Invasion bösartiger Aliens aus, die sich in ihrem Vorgarten von den summenden Generatoren der Ü-Wagen mit elektrischem Strom füttern ließen. »Vor einer Viertelstunde ist der PS des Sheriffs draußen gewesen. Der Pressesprecher, wollte ich sagen. Er hat eine Erklärung verlesen. Man habe Ihre Angestellte freigelassen und werde keine Anklage gegen sie erheben. Das Ganze sei, ich zitiere wörtlich, ein ›Missverständnis‹.«
    »Genau«, sagte Scott schnell.
    »Aber als die Journalisten dann Einzelheiten wissen wollten, ist er vom Drehbuch abgewichen«, fuhr Goller fort. »Er hat Sachen gesagt, die so nicht in der Presseerklärung stehen. Offensichtlich hat ihm unser Freund Detective Blake da einiges eingeflüstert. Er hat behauptet, Ihre Angestellte habe versucht, die Kinder, ich zitiere, zu ›retten‹, weil Sie sie, ich zitiere, ›im Stich gelassen‹ haben.«
    »Scheiße«, sagte Scott, wofür er einen bösen Blick von seiner Frau erntete.
    »Genau das hat er gesagt: ›retten‹. Was natürlich voraussetzt, dass Sie Ihre Kinder einer Gefahr ausgesetzt haben.«
    »Du lieber Gott«, sagte Scott.
    »Warum sollte er so etwas behaupten?«, fragte Maureen. »Wen interessiert das überhaupt? Wir haben unsere Jungen zurück.«
    »Er wollte nur rechtfertigen, warum ein Sheriff, ein US -Sheriff, eine illegale Einwanderin einfach so

Weitere Kostenlose Bücher