In den Häusern der Barbaren
dabei helfen. Am wichtigsten war ein Referendum, dem die verbrechensmüden Bürger vor Kurzem zugestimmt hatten: Auf Hörensagen beruhende Zeugenaussagen von Polizeibeamten waren jetzt vor Gericht verwertbar. Dieses neue Gesetz ermöglichte es Scott Torres und Maureen Thompson, dem Gerichtssaal fernzubleiben, und das war sehr erfreulich, denn trotz ihres starken Auftritts im Fernsehinterview würde Maureen im Zeugenstand sicher einknicken. Sein zuständiger Mitarbeiter Arnold Chang war von seinem einzigen Zeugengespräch bei dem Ehepaar zu Hause kopfschüttelnd zurückgekehrt.
»Unsere Zeugen sind ein bisschen durcheinander.«
»Das sind sie oft«, sagte Goller. »Das liegt in der Natur des menschlichen Gedächtnisses.«
»Nein, das hier ist schlimmer.«
»Hatte ich mir fast gedacht.«
»Es ist richtig schlimm.«
»Das sind traumatisierte Eltern.«
»Nein, noch schlimmer. Sie wollen nicht weitermachen. Sie wollen nicht, dass wir irgendeine Anklage gegen diese Frau erheben.«
»Haben Sie ihnen gesagt, dass der Fall jetzt bei uns liegt?«
»Ja.«
Goller nickte. »Na ja, es spielt auch keine Rolle.«
»Chef«, sagte sein Untergebener, »ich weiß nicht, ob wir diese Anklage wirklich vom Boden kriegen.«
Staatsanwalt Ian Goller bedachte diese Einschätzung einen Augenblick und sagte dann: »Glücklicherweise geht es bei dieser Anklage um eine abzuschiebende Ausländerin. Sie muss also gar nicht weit kommen.«
»Wie weit denn?«
»Wenn Sie ein Huhn in die Luft werfen, und es schlägt zwei, drei Sekunden mit den Flügeln, dann kann man das Fliegen nennen. Oder?«
»Gestatten Sie mir wenigstens das Vergnügen, Señor Octavio, einen Salat zu machen.« Araceli schnitt Kopfsalat und Tomaten im Wohnzimmer, während Octavio Covarrubias in der Küche schon wieder Essen kochte, diesmal zur Feier ihrer zweiten Haftentlassung. Und um seine bisherigen Bemühungen noch zu übertreffen, um seiner stetig zunehmenden Hochachtung vor ihrem Immigrantenmartyrium Ausdruck zu verleihen, hatte Octavio beschlossen, das schwierigste Gericht zuzubereiten, dessen er und seine Frau fähig waren, die Krone der mexikanischen Kochkunst, eine so raffinierte Sauce, dass er extra seine alte Tante aus dem San Fernando Valley zur Unterstützung herbeordert hatte. Mole , der schokoladenhaltige Nektar, den schon die Azteken ihrem Herrscher und seinem Hof serviert hatten, über zarte Hühnerbrüste gestrichen. »Vier Stunden haben wir gebraucht, bis wir den Oaxaqueño mit der besten mole von ganz Orange County gefunden hatten. Diese Leute sind schwerer aufzutreiben als Drogendealer.«
Sie setzten sich zum Essen an den Tisch, und Octavio schaute Araceli erwartungsvoll an, als sie den ersten Bissen nahm und sehr langsam kaute. Schließlich verkündete sie: » Espectacular. Wie Honig.« Octavio lächelte breit, genau wie seine Frau, nicht allerdings die Tante. Die verstand nicht, wieso ihr Neffe und seine Frau so vernarrt in diese indocumentada waren, die das Tischgespräch dominierte, als müssten ihr alle zuhören.
»Sie werden mich wahrscheinlich abschieben«, sagte Araceli zwischen den Bissen gelassen auf Spanisch. »So hat es mir meine Anwältin erklärt, más o menos . Sie werden mir wohl einen Deal anbieten, bei dem sie die schwereren und lächerlichsten Vorwürfe fallen lassen und mir bloß eine Art Strafzettel geben – so als ob ich über eine rote Ampel gefahren wäre. Einen Strafzettel dafür, dass ich die Jungen an gefährliche Orte gebracht habe. Aber wenn ich unterschreibe, dass ich diesen Strafzettel akzeptiere, dann schieben sie mich ab. Para el otro lado. Wenn ich den Handel nicht eingehe und wir den Prozess verlieren, könnte ich hier in Kalifornien ein paar Jahre ins Gefängnis wandern, ehe sie mich dann nach Mexiko zurückschicken. Und wenn ich gewinne, kommen sie mich möglicherweise trotzdem abholen. Wahrscheinlich hier in diesem Haus oder wo sie mich sonst finden.« Sie sah sich am Tisch um, wie die anderen reagierten – Octavio senkte die buschigen Brauen und kniff trotzig die Augen zusammen, während seine Frau die ihren besorgt aufriss.
»Kannst du nicht einfach weglaufen? Jetzt gleich?«
»Nein. Ich habe den Leuten, die meine Kaution gezahlt haben, versprochen, dass ich vor Gericht erscheinen werde.«
»Was wirst du also tun?«, fragte Octavio.
»Mir scheint, der Strafzettel ist die beste Lösung«, sagte seine Frau.
»Eine Menge Leute wollen, dass ich die Sache ausfechte«, sagte Araceli.
»Um ihnen zu zeigen,
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