In den Häusern der Barbaren
ein Hilfswerk spenden. Verantwortung: Sie sind gerade im richtigen Alter, eine Lektion über Wohnraum und seine Organisation zu lernen.
»Maureen!« Scott blieb beharrlich. »Bitte! Wir müssen darüber reden.«
Sie drehte sich zu ihm um und sprach ruhig, aber bestimmt: »Verstehst du nicht? Ich versuche genau wie du, unser Leben wieder unter Kontrolle zu bekommen.« Sie streckte die Arme aus, drehte die Handflächen nach oben und deutete auf das mit Dingen vollgestellte Zimmer, das Ergebnis ihrer frenetischen Sammlertätigkeit, die Regale voller Phantasieprodukte, das Übermaß an Plastik, Papier und Stoff im Schrank. »Alles, worauf wir uns konzentrieren müssen, wenn wir unsere Familie intakt halten wollen, ist hier drinnen. In diesen Zimmern, nicht da draußen.«
»Ich habe diese Frau mit den zwei Jungen auf dem Broadway über die Straße gehen sehen. Und zwar zwei Tage bevor es im Fernsehen hieß, sie wären ›entführt‹ worden. Da bin ich mir ganz sicher«, sagte Richter Adalian der Moderatorin des Kabelsenders in Burbank. »Das habe ich auch schon der Staatsanwaltschaft ganz deutlich gesagt. Zuerst am Telefon, dann schriftlich. Und was tun sie? Sie ignorieren mich. Keinerlei Rückmeldung. Also hake ich nach. Ich bin Richter, ich bin es wohl gewohnt, mich durchzusetzen. Und sie haben sich immer noch nicht gemeldet. Das finde ich ein wenig irritierend. Also habe ich im Büro der öffentlichen Verteidiger angerufen und mit der sehr netten jungen Pflichtverteidigerin gesprochen, die das Mandat übernommen hat. Die war sehr froh über die Zeugenaussage eines städtischen Richters, mit der sich die Version der Beschuldigten erhärten lässt.«
Ian Goller hörte diese Neuigkeiten in seinem stillen Büro am Sonntagnachmittag, rieb sich die Schläfen und versuchte, nicht an die Reihenfolge der Werfer bei den Los Angeles Angels zu denken oder an den bedrohten Nationalpark in San Onofre oder an ein anderes seiner liebsten Ablenkungsthemen. Er konzentrierte sich auf die Nachrichtenmoderatorin, die weitere kleine Informationshäppchen preisgab, welche die »Waage der Glaubwürdigkeit« weiter in Richtung der beschuldigten Mexikanerin ausschlagen ließ: »Dass Mrs Thompson während der angeblichen Entführung ohne ihren Mann in einem Wellnesshotel in der Wüste gesehen wurde«; dazu »mehrere Zeugenaussagen eines Stadtrats von Huntington Park, dem wir zu glauben gewillt sind«, so die Moderatorin sarkastisch, »obwohl er einen mexikanischen Nachnamen trägt«. Die Anklage gegen Araceli brach sehr schnell und sehr öffentlich zusammen – dieser Eindruck jedenfalls wurde auf einem der Kabelsender vermittelt. Parallel zu diesen vorhersehbar skeptischen Berichten gab es einen steten Strom von Briefen, E-Mails und Fernsehkommentaren, die ihn und seine Mitarbeiter aufforderten, die aggressive Strafverfolgung von Araceli N. Ramirez fortzusetzen, vor allem jetzt, da sie so unerwartet auf Kaution entlassen worden war. Ian Goller hatte auf die Berichterstattung zugunsten der Beschuldigten reagiert, indem er den Medien eine Reihe belastender Einzelheiten zuspielte, darunter ausgewählte Passagen aus Brandons Beschreibung ihrer Reise durch das geheimnisvolle Los Angeles. Diese Informationen hatte Goller drei verschiedenen Journalisten in einem Schnellrestaurant in Santa Ana übermittelt und sich danach seltsam ausgelaugt und leer gefühlt. Der Medienkrieg war ein zähes und niederträchtiges Geschäft, aber er musste geführt werden: Die Alternative war, die Staatsanwaltschaft der Lächerlichkeit preiszugeben und ihren Ruf vom Vorwurf beschmutzen zu lassen, »rassistisch motivierte Strafverfolgung« zu betreiben. Brandons Geschichten von »Krieg«, »Sklaverei« und »Kanonen« hatten ihr Ziel erreicht und wie erwartet Misstrauen und Abscheu geweckt. Ein Radiomoderator hatte gefragt: »Wo hat dieses Tier die Kinder hingeschleift?« Noch verebbte das Geschrei nicht, in manchen Ecken wurde es gar lauter, und daher war Ian Goller optimistisch. Nach seiner persönlichen Ansicht war eine Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Kindswohls absolut berechtigt, denn die beiden Kinder hatten unter Aracelis Handlungen psychisch gelitten, wenn auch nur vorübergehend. Sehr wahrscheinlich würde er ein Schuldbekenntnis zum Vergehen bekommen, wenn die Vorverhandlung erfolgreich verlief und der Richter das Hauptverfahren mit der Anklage gegen Araceli eröffnete – und mehrere aktuelle Änderungen der Strafprozessordnung würden ihm
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