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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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Wüstengarten und seine Kinder geredet«, bemerkte Maureen, ging zum Laufgitter in der Mitte des Wohnzimmers und nahm Samantha heraus.
    »Sie verbringt ziemlich viel Zeit da drin«, sagte Scott, aber seine Frau ignorierte ihn und reichte ihm ihre Tochter, verschwand in der Küche und tauchte kurz darauf mit einer Schürze wieder auf.
    »Wir müssen über ein paar Dinge reden«, sagte Scott. Vor dem Eintreffen des Staatsanwalts hatte er am Telefon lange mit einer Vertreterin des Jugendamtes gesprochen. Er musste sich mit seiner Frau zusammensetzen und klären, wie sie aus dieser unerfreulichen Lage herauskommen wollten, aber jetzt ging sie schon wieder in die Küche und band sich die Schürze hinterm Rücken zu. Wieso sind Frauen mit den Fingern hinterm Rücken so geschickt und wir Männer überhaupt nicht? Das Bild mütterlicher Geschicklichkeit und Entschlossenheit blieb ihm im Gedächtnis, als er mit seiner kleinen Tochter in den Garten ging. Er rollte auf dem Rasen einen Ball mit ihr hin und her und freute sich über ihr verrücktes, zahnarmes Babylachen, wenn er ihr aus der Hand glitt. »Ball«, sagte sie, auch wenn das Wort fast nur nach einem langen, quäkenden Vokal klang. Als sie fertig gespielt hatten, suchte er seine Frau, denn er hoffte, ihre Aufmerksamkeit mit der Tatsache zu wecken, dass ihre Tochter gerade ihr erstes Wort gesprochen hatte. Er fand sie im Zimmer der Jungen auf den Knien, wo sie den Inhalt der Bücherregale untersuchte.
    »Hey, Samantha fängt an zu sprechen.«
    »Ich weiß. Vor ein paar Tagen hat sie ›Milch‹ gesagt. Habe ich dir das nicht erzählt?«
    »Nein.« Er betrachtete seine Frau, die mit hektischer Freude Bücher herausnahm und in eine Kiste warf. »Was machst du da?«
    »Ich hatte eine Erleuchtung«, sagte Maureen und sah sich im Zimmer um, das Araceli El Cuarto de las Mil Maravillas genannt hatte. »Wir haben zu viel Zeug.«
    »Was?«
    »Die Kinder haben Spielsachen, mit denen sie seit zwei oder drei Jahren nicht gespielt haben. Und Bücher wie diese, die sie nie wieder lesen werden.« Sie hielt zwei dünne Bände einer Reihe Detektivbücher für Erstleser hoch, von denen jeder einen Buchstaben des Alphabets in den Mittelpunkt der Geschichte stellte. Ihr frühreifer jüngerer Sohn hatte alle sechsundzwanzig Bände bereits vor über einem Jahr verschlungen. »Wieso haben wir die aufgehoben? Diese ganzen Staubfänger machen es so schwierig, das Haus sauber zu halten.«
    »Okaaay«, sagte Scott in dem Ton, mit dem man gewöhnlich kleinen Kindern und Verrückten begegnet.
    »Die wirkliche Lösung ist natürlich, in ein kleineres Haus umzuziehen«, fuhr Maureen fort. »Das hätten wir schon längst tun sollen.« Es schmerzte sie, dass sie bald dieses Haus verlassen sollte, das sie mit so viel Zeit und Liebe eingerichtet hatte. Aber es gab keinen anderen Ausweg. Jedenfalls sah sie keinen. »Dein Vater kann ja nicht ewig bei uns wohnen. Und wenn wir keine Hausangestellte mehr hier haben wollen, dann können wir nicht mehr in einem so großen Haus wohnen. Wenn wir uns von ungefähr der Hälfte unserer Sachen trennen können, dann kriegen wir den Rest in einem kleineren Haus unter. Vielleicht in einem halbwegs anständigen Schulbezirk.«
    Scott erkannte, dass seine Frau sich nun der Aufgabe widmen würde, den Haushalt von all diesen überflüssigen Dingen zu befreien, mit der gleichen Energie und Hingabe, mit der sie diese Dinge zuvor angeschafft hatte. Der Haushalt war ihre Domäne, und er und die Kinder lebten nach ihren jeweiligen Prinzipien: barocke Pracht und Exzess oder Schlichtheit und Bescheidenheit. Wie heißt das noch, wenn Frauen alles bestimmen? Matriarchat? Femokratie? Er stellte sich einen schlankeren Haushalt vor, niedrigere Kreditkartenabrechnungen, einen weniger großen Flachbildschirm. Oder vielleicht gar keinen Fernseher. Früher hatte das Leben doch auch einfacher funktioniert, zu einer anderen Zeit, in der Frühgeschichte seiner amerikanischen Familie, die sein Urgroßvater aus Maine noch erlebt hatte. Er erlaubte sich, von diesem leereren Haushalt zu träumen, vielleicht mit einem Gemüsegarten hinterm Haus anstelle von Kakteen oder subtropischer Fauna – doch dann fielen ihm die lästigen Probleme der Gegenwart ein.
    »Wir müssen über Verschiedenes reden.«
    Maureen hörte ihn, wollte aber nicht reagieren, denn dann würde sie den Schwung verlieren, der ihr gerade beim Jonglieren der vielfältigen Haushaltspflichten half. Wenn sie jetzt aufhörte, würde

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