In den Häusern der Barbaren
Kunstrasenbelag auf die Veranda gelegt hatte. Ihre Begegnungen mit den chirurgisch überarbeiteten Frauen der Laguna Rancho Estates hatten sie sehr verunsichert, was ihr altersgemäßes Aussehen anging: Nachdem sie drei Kinder auf natürlichem Weg zur Welt gebracht hatte (abgesehen von der PDA natürlich), war sie tatsächlich eine Weile geneigt gewesen, sich etwas Fett absaugen zu lassen. Doch am Ende hatte sie sich nicht mit dem Gedanken anfreunden können, die Unvollkommenheit ihres Bauches dem Skalpell eines Chirurgen anzuvertrauen: Sie wollte keine dieser Silikon-Kalifornierinnen werden, über die man in ihrer Heimat die Nase rümpfte. Hochpreisige Immobilien in neu erschlossenen Wohngebieten zogen die Sorte Leute an, die ihre Unsicherheiten mit Geld zu bewältigen versuchten – eine Beschreibung, mit der Maureen in ehrlichen Momenten auch sich selbst meinte. Der Unterschied jedoch war, dass es ihr nicht allzu viel ausmachte, wenn sie im Spiegel inzwischen eine etwas ältere Version ihrer selbst sah, ein paar silbrige Strähnen im rostroten Schwung ihrer Haare, die Krähenfüße, die aus ihren Augenwinkeln herauswuchsen und ihrem Gesicht einen leicht gälischen Charakter verliehen, als würde sie den ganzen Tag gegen den Wind vom Atlantik anblinzeln. Sie zog diesen distinguiert-erfahrenen Look dem polierten, ausgelaugten Erscheinungsbild vor, das von zu vielen Augen- und Wangenoperationen herrührte, oder dem unwirklichen Orangefarbton, den die Haut nach zu vielen Solariumsbesuchen annahm. Ich bin nicht weniger oberflächlich als meine Nachbarinnen. Ich habe bloß andere ästhetische Vorlieben. Ich ziehe einen wettergegerbten Stuhl oder einen Tisch mit Charakter immer einem brandneuen, aber charakterlosen Möbelstück vor. Maureen wollte so würdevoll altern, wie es in einem Klima nur möglich war, in dem der Teint Tag für Tag gegen die trockene Luft ankämpfen musste; sie wollte ihre Kinder ohne Rezepte für Psychopharmaka großziehen und möglichst auch ohne eine dieser Spielkonsolen, vor denen Scott seine Tage verbrachte. Maureen wollte nichts als – und das war das Einzige, was sie überhaupt mit großer Gewissheit wollte – Güte und Schönheit in das Leben ihrer Familie bringen.
Darum war sie jetzt unterwegs zur nächstgelegenen Gärtnerei, um nach einer klugen, günstigen und eleganten Lösung für das Problem des sterbenden Regenwaldes in ihrem Garten zu suchen.
Durch das getönte Glas des Geländewagens sah Araceli über sich die Wegweiser des Freeways vorbeiziehen. SAN DIEGO, LOS ANGELES, NEWPORT BEACH . La señora Maureen auf einer Autofahrt zu begleiten hatte bisher zu Guadalupes Aufgabenbereich gehört. Andere Menschen müssen in der Fabrik arbeiten gehen. Ich muss mich mit dieser Frau und ihren Kindern in dieses Auto zwängen. Und das alles für den Augenblick am Ende der Woche, wenn sie mir einen Umschlag gibt, mit zwei Bildern von Benjamin Franklin darin und einem von einem Mann namens Grant.
Niemand sagte etwas, aber Araceli hörte Brandon und Keenan hinten auf ihren elektronischen Spielzeugen tippen. Brandons Haar war kastanienbraun, dunkler als das seiner Mutter, er hatte jedoch die gleichen klugen, weit auseinanderstehenden Augen, die Araceli an mögliche Vorfahren in einem rauen europäischen Dorf denken ließ. Ihr fielen die Bauern auf den Bildern von Daumier oder Millet ein, die sie in ihrem Kunstgeschichtslehrbuch gesehen hatte, dem größten der Handvoll Bücher in ihrer persönlichen Bibliothek: Ährenleser, Säer, Kartoffelesser. Brandons Finger bewegten sich mit künstlerischer Präzision über die Knöpfe seiner kleinen Maschine, und kurz schoss Araceli durch den Kopf, dass er vielleicht gut Klavier- oder Gitarrenstunden gebrauchen könnte, aber la señora Maureen wollte ihre Kinder grundsätzlich in nichts hineinzwingen. Manchmal musste man Kinder drängen, damit sie Dinge taten, die gut für sie waren: Wenn sie je einen Partner fände, der ihre Träume teilte, würden sie ihren Nachwuchs nach dieser mexikanischen Weisheit erziehen. Maureen hatte die Klimaanlage sehr kalt gestellt, weshalb Aracelis Nase lief, und sie schniefte übertrieben laut und täuschte Husten vor; ihre jefa schien es nicht zu bemerken.
Der Gedanke war Maureen gekommen, nachdem sie im örtlichen Buchladen mehrere Gartenbücher durchgeblättert hatte. Begonnen hatte sie mit ein oder zwei Handbüchern über Tropengärten, war jedoch rasch eingeschüchtert gewesen von den aufwendigen Bewässerungssystemen,
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