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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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knetete einen der Klumpen, die kleine Samantha hatte ockerbraune Finger, weil sie die Hand in eine Schüssel mit lehmigem Wasser gesteckt hatte, und Brandon las auf der Couch in einem Buch. Maureen sah mit elternstolzem Blick zu Araceli auf – Wir machen etwas pädagogisch Wertvolles, meine Kinder und ich –, und wäre Araceli etwas zynischer veranlagt gewesen, hätte sie zu dem Schluss kommen können, das Ganze sei extra für sie inszeniert worden. Jawohl, Mexikanerin, du lässt uns im Stich, aber du siehst ja, wir Nordamerikaner kommen auch allein klar.
    » Adiós , ich gehe jetzt«, sagte Araceli und klopfte auf die kleine Reisetasche, die sie über der Schulter hängen hatte.
    »Okay. Bis Montag.« Maureen schaute noch einmal hoch und fügte als sanfte Erinnerung hinzu: »Vormittag. Bis Montagvormittag.«
    »Sí, señora.«
    Damit ging Araceli aus der Tür und war frei. Sie genoss die ersten paar ganz leichten Schritte hinunter auf den Gehweg, die fröhliche Wiedervereinigung mit der Person, die sie früher gewesen war, mit der Frau, die in einer richtigen Stadt lebte, mit Menschenmassen, Kunst, U -Bahnen, Bettlern. Der zwanzigminütige Fußweg zur Bushaltestelle führte bergab durch die kurvigen Straßen der Laguna Rancho Estates, an einem Straßenzug vorbei, in dem aus unerfindlichen Gründen alle Häuser genau gleich aussahen – jedes einzelne die Kopie eines Ziegeldachhauses aus einem weißen andalusischen Dorf, jedes ästhetisch eher fragwürdig und kulturell unangemessen erweitert mit einer Garage, in deren Blechhaut man winzige Bogenfenster eingelassen hatte. Die Garagen waren ebenso wenig spanisch wie die ausgedachten Straßennamen, die Araceli immer noch zum Schmunzeln brachten. Meist waren dem Wort vía oder paseo viele schöne Vokale angehängt, die zusammengenommen rein gar nichts bedeuteten. Paseo Vista Anda. Via Lindo Vita. Ihre jefes wohnten im Paseo Linda Bonita, was nicht nur grammatikalisch falsch, sondern auch redundant war, wie Araceli gleich bei ihrem ersten Besuch festgestellt hatte.
    Paseo Linda Bonita und all die anderen paseos und vías in den Laguna Rancho Estates krümmten und wanden sich vollkommen willkürlich den Berg hinauf und hinab, als hätten die Planer vorsätzlich alle Autofahrer, Lieferanten und Briefträger ärgern wollen. Als Araceli anfing, in den Estates zu arbeiten, empfand sie die nichtlineare Geografie als verwirrend, und mehr als einmal war sie in eine Sackgasse gelaufen und hatte ihren Weg aus dem Labyrinth zurückfinden müssen. Jetzt kam sie zum Eingangstor der Community, einem steinernen Portal mit einem Wachhäuschen und zwei großen, schwarzen Eisentoren mit den aufgesetzten Lettern L , R und E aus poliertem Stahl. Hier war ein Mann mit schokoladenbrauner Haut und eng anliegenden Zöpfchen auf dem Kopf postiert, der ihr abwesend zuwinkte. Sie ging an ihm vorbei zur Bushaltestelle, die von einem Plexiglasschild markiert wurde: ORANGE COUNTY TRANSPORT AUTHORITY . Nur die Hausangestellten und Bauarbeiter nutzten die Haltestelle, darum gab es hier gar keinen Bürgersteig, nur den üblichen Sand und Schotter am Straßenrand und einen Markierungspfahl des Busunternehmens, der in die unbebaute Wiese getrieben worden war, die sich bis zum Strand hinunter erstreckte. Araceli wandte dem Tor und der Straße den Rücken zu und schaute auf die wogende Fläche gelben Grases, die in der Brise Mambo tanzte, der Rest des »rancho« , von dem die Siedlung ihren Namen hatte. Die tiefe Stille wurde nur gelegentlich vom leisen Surren eines Fahrzeugs hinter ihr durchbrochen. Jenseits der Wiesen sah sie ein großes Schiff im blauen Meer, viele Kilometer vor der Küste, ein schwarzer Kasten, der am Horizont entlang nordwärts trieb, wie eine Silhouette in einer Schießbude. Es war ganz normal, beim Warten auf den Bus Schiffe zu entdecken, und als sie ein zweites sah, überkam sie die Hoffnungslosigkeit: Die langsame, geschäftsmäßige Fahrt der Schiffe schien keinerlei romantisches Ziel zu haben; ihre Gegenwart machte den Pazifik bloß zahmer, raubte ihm seine Offenheit, sein Abenteuer.
    Araceli wartete. Sie hatte in Mexiko City große Teile ihrer Jugend in Schlangen und Staus zugebracht, vor Fahrstuhltüren und Ladenkassen oder in Bussen, die an Ampeln oder auf überfüllten Straßen gestrandet waren. Trotzdem kam es ihr unlogisch vor, in diesem offenen, leeren Fleckchen Kalifornien zu warten. Wenn man eine Mexikanerin dreißig Minuten unter einem Haltestellenschild warten ließ,

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