In den Häusern der Barbaren
zugeschlagen. Noch einmal ging sie zum Aussichtsfenster. Eine Amerikanerin mit heller Haut und mit einer Sonnenbrille mit ovalen Gläsern stieg aus dem ersten Laster, gefolgt von zwei halb indianisch aussehenden Mexikanern in identischer waldgrüner Arbeitskleidung. Vier weitere Männer in grünen Overalls stiegen aus dem zweiten Laster, und gleich darauf kamen sie alle den Fußweg herauf.
Es klingelte, und diesmal war Araceli schneller als Maureen.
»Hi und Guten Morgen!«, sagte die Amerikanerin. »Wir sind die Landschaftsgärtner.«
»¿Cómo?« Maureen war knapp hinter ihr, und Araceli musste zur Seite treten, ehe sie eine der vielen Fragen stellen konnte, die ihr auf der Zunge brannten: Was wollt ihr mit meinem Garten anstellen? Wieso hat mir niemand erzählt, dass ihr kommt? Wie lange werdet ihr bleiben? Habt ihr euer Mittagessen selbst mitgebracht? Araceli musste durch die Glastüren mitansehen, wie dieser nächste Arbeitstrupp ums Haus tappte und von Maureen in den Garten und zu der Brache geführt wurde, wo der Tropengarten gestanden hatte. Araceli öffnete die Schiebetür, um zu hören, was die Frau zu ihrer patrona sagte. Die Fremde entrollte ein großes Blatt mit einer Planzeichnung, und Maureen begann wie benommen vor Begeisterung über das ganze Gesicht zu strahlen. Dann sprach die Fremde auf Englisch zu einem ihrer Mitarbeiter.
»Fernando, haben wir genug Pflanzerde mitgebracht?«
»Es un espacio grande« , antwortete er und überschaute das Gelände vor ihnen. »Pero sí. Creo que nos alcanza.«
»Dann fangen wir am besten mit der Weide an, oder?«
»Es lo que nos va a tomar más tiempo« , antwortete Fernando. »Y también el ocotillo. Eso var a ser todo un Projekt .«
»Den hatte ich ganz vergessen. Gut, dann fangen wir mit dem Ocotillo an.«
Fernando hatte einen ovalen Aufnäher auf dem Overall, auf dem FERNANDO stand, alle anderen Arbeiter trugen ebensolche Namensschilder. Diese uniformierten Männer pfiffen oder schrien im Garten nicht herum, sondern untersuchten die umgegrabene Erde mit prüfenden Blicken, traten hier und da gegen einen Brocken, hoben ein Blatt oder einen Halm auf. Sie arbeiteten mit effizienten und geübten Bewegungen, berieten sich untereinander und mit ihrer Chefin in kurzen zweisprachigen Dialogen. In diesem seltsamen Land, dass Araceli jetzt ihr Zuhause nannte, war der Markt für Garten- und Erdarbeiten breit aufgefächert, und Männer wie diese wurden in ihren Unternehmen scherzhaft »Spitzenmexikaner« genannt. In diesem Fall stammten die meisten von ihnen aus Guanajuato und Jalisco und kannten einander schon die Hälfte ihres Arbeitslebens; in vielen Jahren treuer Arbeit für Desert Landscaping hatten sie eine solide handwerkliche Kenntnis der Wurzelsysteme von Ocotillo, Saguaro und anderen kalifornischen und afrikanischen Kakteen und Sukkulenten erworben, die dort verpflanzt wurden. Sie verdienten dreimal so viel wie ihre ungelernten Tagelöhnerkollegen vom Vormittag, bekamen von ihrem Arbeitgeber sogar in gewisser Höhe Krankenversicherung bezahlt und – was Araceli noch nicht wusste – hatten alle ein Sandwich oder ein Burrito oder dergleichen dabei, von ihren Ehefrauen und Freundinnen in eine schwarze metallene Lunchbox gepackt, die sie im Lauf der Jahre auf Hunderte von Gartenbaustellen geschleppt hatten.
Während die Männer Sandsäcke nach hinten schleppten, saß Maureen im Gras, Samantha auf dem Schoß, bewunderte die Planzeichnung und dachte bei sich, dass sie das Geld gut investiert hatte. Die Nervosität der letzten Tage löste sich jetzt auf; ständig hatte sie an den Haaren gekaut; und durch das chaotische Hacken, Hauen und Säbeln des ersten Trupps waren die Zweifel noch schlimmer geworden. Was tue ich hier, wieso lasse ich diese schwitzenden Barbaren in mein Haus? Aber nein, jetzt war diese Mannschaft aus ansprechenden, wenn auch etwas älteren Mexikanern gekommen, dazu diese Landschaftsgärtnerin, so eine Art Wüstenbohemien, wie man sie in den südwestlichen Bundesstaaten fand. Wenn Scott die fertige Anlage sah, würde er sagen, das hätten wir schon vor Jahren machen sollen. Sie sah den Arbeitern zu, wie sie ein paar Pflanzen in Holzkisten und Plastiktöpfen heranschafften, darunter auch ein Exemplar, das wie ein Miniaturbaum aussah: Die dicken Zweige hatten eine schlammbraune Oberfläche, die wie Rinde wirkte, die fleischigen Blätter erinnerten an smaragdgrünen Ton, und die ganze Pflanze besaß die Schwere und Einfachheit einer
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