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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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»¡Comienzan con estos! ¡Con puro machete!« Bei den ersten Machetenhieben wurde Araceli ganz kurz sentimental. Adiós, Pepes Garten, ihr grünen Blätter und ihr Blumen, die ihr das Andenken an seine Hände bewahrt habt. Die Macheten hackten so laut, dass Araceli es selbst dann in der Küche noch hören konnte, wenn sie den Wasserhahn voll aufdrehte. Sie hörte es auch in der Waschküche, das unschöne Geräusch der Klingen, die sich in die fleischigen Stiele fraßen. Hack, hack, hack, klang es durchs Haus, unterbrochen durch die langen, pfeifenden Rufe, mit denen die Männer sich unterhielten. »¿Qué hago con esto?« »¿Todo?« »¡Está bien duro, el bambú!« Jedes Mal, wenn Araceli an der Glastür vorüberging, warf sie einen Blick auf die Tagelöhner, die ihre langen Messer hoben und niedersausen ließen, auf die Stängel und Stämme, die jäh und plump zu Boden fielen, wie ermordet. Diese Landarbeiter waren Meister der Machete, nach jedem Hieb flog ein ordentliches Stück lebendige Pflanze durch die Luft: Sie arbeiteten in einer Reihe und drangen in den petit Regenwald vor wie Männer, die ein Feld Zuckerrohr abernten sollten.
    »Sie hacken den Garten weg!«, rief Brandon, der von den Geräuschen ins Wohnzimmer gelockt wurde. »Keenan, guck mal! Sie hacken ihn einfach weg! Den Bambus! Guck doch!«
    Brandon sah ihnen bei der Arbeit zu und erinnerte sich an die Kinder in Herr der Fliegen , die sich auf ihrer Tropeninsel, mit Speeren und Messer bewaffnet, wie Wilde benahmen – und er dachte sich, er würde gern ein Messer nehmen und sich den Arbeitern anschließen.
    »Sie machen unseren Dschungel weg«, sagte Keenan. Früher einmal waren die Jungen durch die schattigen Höhlen unter den gesunden Blättern gerannt und über den Bach gesprungen, hatten ihre Plastiksoldaten zwischen den Bambushalmen aufgestellt. Sie hatten lange nicht mehr dort gespielt, seit Pepes Entlassung nicht mehr, als hätte auch sie das langsame Sterben der Pflanzen abgeschreckt.
    Nach vierzig Minuten stand nichts mehr im Garten, die Pflanzen waren ein Haufen Grünzeug, über den die Männer stapften wie Soldaten über ein Schlachtfeld. Zum ersten Mal sah Araceli die ganze geschwungene, lehmfarbene Zementwand, die das Anwesen der Familie Torres-Thompson begrenzte. Sie beleidigte das Auge mit ihrer Leere wie eine unbemalte Leinwand: Araceli konnte verstehen, wieso Maureen und Scott sich die Mühe gemacht hatten, einen großen Tropengarten davorzupflanzen.
    Maureen kam wieder nach draußen, um die Arbeit zu begutachten, und tippte mit den Sandalen gegen einige heruntergefallene Stiele. Die Gartenarbeiter luden sich die Arme mit zerhackten Pflanzenteilen voll und trugen sie nach vorn zum Lastwagen. Zwei von ihnen kamen mit Spitzhacken und rostigen Schaufeln zurück und begannen, die Wurzeln herauszuholen. Die Männer waren bedeckt mit Staub, Erde, Fetzen von Bambus- und Farntrieben und Blütenblättern. Araceli hörte, wie vorn auf der Straße ein Motor ansprang, gefolgt von lautem, gespenstischem Kreischen. Sie folgte dem Lärm und ging zum Aussichtsfenster auf der anderen Seite, doch auch von dort konnte sie die Quelle der Todesschreie nicht ausfindig machen – erst als sie aus dem Haus ging. Die Tagelöhner warfen die Überreste des kleinen Regenwaldes in einen Häcksler, der hinten an ihrem Laster hing und eine grünliche Wolke auf die Ladefläche spuckte. Pepes Garten wurde in grünen Staub verwandelt. Araceli schaute gebannt zu, wie die Maschine die Arbeiter mit einer fleckigen zweiten Haut aus Chlorophyll überzog, die am Schweiß und Dreck auf ihren Armen und Gesichtern haftete. Bald sahen sie aus wie Außerirdische oder vielleicht auch nur wie die Ärmsten der Armen in Mexiko City, die Leute, die den ganzen Tag den Müll durchwühlten, bis die klebrigen Reste aus den weggeworfenen Dosen und Plastikbechern ihre Gesichter und Arme bedeckten.
    Um zehn Uhr dreißig harkten der Vorarbeiter und seine Handlanger die Erde im Garten mit schweren Eisenrechen glatt. Dann sammelten sie ihr Werkzeug ein und verschwanden, Araceli sah den Lastwagen von ihrem Beobachtungsposten in der Küche abfahren. Ich hätte ihnen etwas zu trinken anbieten sollen. Aber sie waren so in Eile.
    Eine Dreiviertelstunde später wischte sie gerade eines der Badezimmer, als sie erneut vom Grummeln eines Lastwagenmotors und von quietschenden Bremsen überrascht wurde; Sekunden später folgte ein zweites Brummen und Quietschen, dann wurden Türen geöffnet und wieder

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