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In den Häusern der Barbaren

In den Häusern der Barbaren

Titel: In den Häusern der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Héctor Tobar
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erledigte. Wenn man dieses Heim ganz abstrakt als Ort der Sicherheit, der Ordnung und des Glücks betrachtete, dann hing all das genauso sehr von dieser Mexikanerin ab wie von Maureen. Dass sie Araceli zwei Tage wegschickte, merkte Maureen, hatte seinen Grund auch darin, dass sie sich das Haus wieder aneignen wollte.
    Sie war in der Küche, hielt Samantha auf dem Arm und machte ein Fläschchen Milch warm, als ihr Ältester hereinkam und nach etwas zu essen fragte.
    »Wie wär’s mit einem Sandwich? Pute und Käse?«
    »Okay.«
    »Ist der Film vorbei? Habt ihr den Fernseher ausgemacht?«
    »Ja«, sagte Brandon, »und ja.«
    Sie schaute auf den Abwasch in der Spüle, dachte auch daran, den Garten nach Spielzeug abzusuchen, überlegte, was sie zum Abendessen kochen sollte und was sie den Jungen heute Nachmittag zu tun geben konnte: vielleicht eine Runde »Scrabble Junior«. Man braucht viel Konzentration, all diese Dinge gleichzeitig zu tun. Heute hatte sie schon einmal »Risiko« mit den Jungen gespielt, hatte sie mit Kitteln, Pinseln und Packpapier beschäftigt. Später würde sie in ihre Kisten mit Papierschnipseln und Stoffstreifen tauchen und ein weiteres Kunstprojekt anstoßen. Eine gute Mutter zu sein war eine Leistung, nur dass man nach Feierabend keine Bonuspunkte von seinem Chef bekam: dafür, dass man den Tag durchgestanden, drei Kinder ernährt und unterhalten hatte, anstatt es sich leicht zu machen und sie einfach vor den Fernseher zu setzen. Dazu brauchte man Durchhaltevermögen und eine optimistische Grundhaltung.
    Maureen hatte ihre Tochter auf der Hüfte und war auf dem Weg ins Schlafzimmer, um die Kinder zu einem frühen Abendessen einzusammeln, als sie aus dem Augenwinkel ihren Mann entdeckte, der auf diesem bumerangförmigen Stuhl saß und auf seinen HD -Fernsehschirm starrte. Schon wieder? Was fasziniert ihn so daran? Ich schleppe das Kind herum, und er spielt? Sie betrachtete seine hektischen Finger, die über die Konsole huschten, seine angespannte, konzentrierte Miene im Profil, und sie entschied, dass dieser Moment eine gute Gelegenheit bot.
    »Schatz, ich wollte dich etwas fragen.«
    »Mm-hm«, sagte er und machte eine Vierteldrehung in ihre Richtung, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. »Tut mir leid, ich bin grad beim Zwei-Minuten-Angriff.«
    »Okaaaay. Also, ich habe mir was für den Garten ausgedacht. Was uns auf lange Sicht eine Menge Geld einsparen wird. Aber zu Anfang wird eine größere Ausgabe fällig werden.«
    »Mm-hm.«
    »Ich werde ein paar Wüstenpflanzen anliefern lassen.«
    »Cool.«
    »Dann mache ich das also, ja?«
    »Was?«
    »Den Wüstengarten.«
    »Was kostet so was denn?«, fragte er und drehte sich halb in ihre Richtung, während auf dem Bildschirm die Wiederholung der letzten Szene gezeigt wurde.
    »Nicht allzu viel. Ehrlich nicht.«
    »Wirklich nicht?«, sagte er, und dann lockte ihn der Sog des Spiels wieder zurück vor den Schirm.
    »Ehrlich, versprochen«, sagte sie zu seinem Hinterkopf.
    »Cool«, sagte er wieder, und Maureen dachte, dass seine Unkonzentriertheit sie in jeder anderen Situation wütend gemacht hätte.
    »Dann zahle ich das also mit der Kreditkarte«, sagte sie.
    Er antwortete nicht, sondern beugte sich vor. Auf dem Bildschirm warf die animierte Figur des Quarterbacks einen sehr langen Pass, und durch ein Wunder der Technik konnte das Auge des Spiels dem Ball durch die Luft folgen, bis er schließlich in den Hände eines ebenfalls animierten Receivers landete. Maureen allerdings hatte sich schon abgewandt und ging über den Flur, als durch diesen sehr männlichen Winkel ihres Heims der Lärm einer Menschenmenge hallte, ein Rauschen von Stimmen und Jubelschreien, die den Touchdown feierten.

8 Das Küchenfenster zeigte nur einen Ausschnitt des Bürgersteigs, und als das Arbeitsteam zum Ende des Paseo Linda Bonita rollte, sah Araceli lediglich das Oberteil des Lastwagens. Drei Männer mittelamerikanischer Herkunft standen auf der Ladefläche und lugten über eine Seitenwand aus grobem Sperrholz, verschreckt wie Azteken, die in eine Stadt voller Konquistadoren geraten waren. Sie schauten sich ein paar Augenblicke in der fremden, wohlhabenden Umgebung um und sprachen dann mit einer für Araceli unsichtbaren Person. Sie konnte die Worte von ihren Lippen ablesen: »¿Aqui?« und »¿Bajamos?« Die Antwort auf beide Fragen lautete offensichtlich Ja, denn kurz darauf sprangen die Arbeiter auf die Straße herunter. Zwei weitere Männer, die auf der

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