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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Mach nur. Mich stört das nicht beim Haarekämmen.«
    Jenny bekam vor Wut ganz große Augen. »Das werde ich Mama sagen!«
    Michael ging zur Tür, hob seine Schwester hoch, stellte sie in den Flur und machte die Tür vor der Nase zu. Jenny begann wütend an der Tür zu klopfen.
    Michael beachtete weder ihr Klopfen noch ihr Geschrei. Er schaute noch einmal in den Spiegel.
    Das seltsame Bild war fort. Er sah nur das eigene Gesicht.
    Doch woher war das Bild gekommen? Hatte es überhaupt existiert?
    Er war sich nicht sicher.
    Andererseits: Er hatte es nicht zum erstenmal gesehen.
    Er konnte sich nicht einmal erinnern, wann er es zum erstenmal gesehen hatte, so lange war es her, und es war so selten erschienen, dass er es zwischendurch vergaß. In jüngster Zeit tauchte es allerdings häufiger auf.
    Manchmal war es nur wie ein Flackern im Spiegel gewesen.
    Manchmal war es ihm im Traum erschienen, und er war voller Angst aufgewacht.
    Inzwischen erschein es ihm nicht nur häufiger, sondern auch klarer.
    Er hatte sich eine zeitlang eingeredet, es sei ein Gespenst. Er hatte einmal sogar mit seiner Mutter darüber gesprochen, die zuhörte und anschließend lachte.
    »In neuen Häusern gibt es keine Geister. Da müsste erst jemand sterben - oder, noch besser, ermordet werden. Aber falls du nicht heimlich jemanden umgebracht hast, trifft das auf unser Haus noch nicht zu.«
    Er hatte mit ihr diskutiert, aber nicht zu lang, weil ihm das Ganze von Minute zu Minute dümmer vorkam. Trotzdem, inzwischen belästigte das Gesicht ihn immer öfter.
    Er fixierte den Spiegel, wollte das Gesicht herzwingen, wie um sich zu überzeugen, dass alles nur Einbildung war. Aber außer weißen Fliesen reflektierte der Spiegel nur sein eigenes Gesicht.
    Er überließ Jenny das Badezimmer, rannte die Treppe nach unten und in der Hitze des Morgens nach draußen. Doch auf dem Weg zur Garage, wo sein Motorrad stand, drehte er sich noch einmal zum Haus um.
    Was mochte es mit dem Gesicht im Spiegel bloß auf sich haben?
    Gehörte es real zum Haus oder existierte es nur in seinem Bewusstsein?
    Als er auf das Motorrad stieg und losfuhr, kam er zu dem Schluss, dass er auf die Frage überhaupt keine Antwort wissen wollte, weil jede Antwort schrecklich gewesen wäre.

3
     
    Kelly Anderson saß schweigend im Fond des Chrysler und starrte durchs Fenster. Die Landschaft hatte sich verändert; statt der roten Erde und der Fichten Georgias breitete sich draußen das moorige Flachland Floridas aus, aber Kelly nahm es nicht wahr. Ihre Gedanken waren nach innen gerichtet, auf die Erinnerungen an den zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt.
    Der wäre nicht nötig gewesen - ihre Verletzungen waren rasch geheilt und die Nähte auf ihrem Bauch bereits nach einer Woche entfernt worden. Man hatte feststellen wollen, ob sie verrückt war. Sie hatte die Ärzte vom Gegenteil überzeugt - obwohl sie selbst sich dessen gar nicht so sicher war. Aber der Gedanke, in einer Anstalt eingesperrt zu sein, schreckte sie noch mehr als das Bild des alten Mannes, das sie am Morgen des Selbstmordversuchs im Spiegel des Badezimmer beobachtet hatte. Und deshalb hatte sie dem Psychiater davon nichts erzählt, sondern irgendeine Geschichte erfunden. Und die Geschichte war eigentlich keine Lüge, denn Kelly hatte sich Sorgen gemacht wegen der Arbeitslosigkeit ihres Vaters, und sie hatte doch das Gefühl, nie etwas recht zu machen. Man hatte darum auch ihrer Erklärung geglaubt, sie habe sich einfach gesagt, es sei für alle am besten, wenn sie nicht lebte.
    Von dem Mann ihres Alptraums hatte sie den Ärzten nichts gesagt - dafür war sie zu klug.
    Sie hatte sich auch herausreden können, was das Geständnis ihrer Schwangerschaft gegenüber Dr. Hartman betraf. Das war ihr sogar nicht einmal schwergefallen - sie hatte einfach behauptet, sie habe sich in letzter Zeit oft unwohl gefühlt, und als dann die Periode ausblieb, habe sie automatisch gemeint, schwanger zu sein. Sie behauptete außerdem, eines Abends mit Freunden zusammen Alkohol getrunken zu haben, ohne sich hinterher an irgend etwas erinnern zu können, und daraufhin vermutet, mit einem Jungen ins Bett gegangen zu sein. Davon war nichts wahr - sie verabscheute Alkohol -, aber die Eltern hatten ihr geglaubt.
    Und sie auch nicht eingesperrt.
    Man hatte sie nach Hause geschickt, und eine Woche später hatte die Mutter ihr vom Umzug nach Villejeune berichtet.
    Es war eine lange Geschichte: Der Großvater habe für den Vater Arbeit gefunden, doch

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