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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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ins Haus trat. »Bloß ein verdammter Waschbär.« Er legte den Revolver wieder auf den Tisch neben dem Bett und schaute in den Spiegel. Und erstarrte erneut.
    Selbst in diesem grellen Licht sah sein Gesicht grau und teigig aus; die Augen lagen tief in den Höhlen.
    Um den Hals bildeten sich Flechten lockerer Haut. Er betrachtete seine Hände - geschwollene Knöchel, Leberflecken.
    Aber das konnte doch gar nicht möglich sein! Er war erst vor drei Tagen bei Phillips gewesen! Er war in bester Verfassung gewesen!
    Es sei denn...
    Ihm kam ein Gedanke.
    Und wenn Phillips wegen Jonas Bescheid wüsste? Wenn Phillips wüsste, dass er dem Jungen eine Falle gestellt hatte, damit Kitteridge mit ihm reden konnte?
    Phillips hatte jedoch nichts erwähnt.
    Er hatte ihm, wie alle vierzehn Tage, seine Spritze gegeben und wieder fortgeschickt.
    Judd ging zum Telefon. Ihm zitterten die Finger, als er den Knopf mit der gespeicherten Nummer von Phillips drückte.
    Nach dem vierten Läuten - dem Deputy stieg bereits die kalte Angst in die Kehle - meldete sich Phillips.
    »Hier Judd«, sagte Duval heiser.
    »Judd? Und wie geht’s Ihnen?« Der irgendwie spöttische Ton ging Judd unter die Haut.
    »Ich... fühle mich nicht besonders«, antwortete Judd, der alles tat, um sich den Schrecken, der ihn plötzlich packte, nicht anmerken zu lassen.
    »Wo liegt das Problem?«
    »Es is’ meine Haut, Doc. Sie is’ voller Flecken. Und meine Knöchel sin’ ganz dick angeschwoll’n. Ich hab’ Runzeln im Gesicht...«
    »Sie scheinen alt zu werden, Judd«, sagte Phillips leise. Da wusste Judd Bescheid.
    »Die Spritze!« flüsterte er. »Sie hab’n mir meine Spritze gar nicht gegeb’n. Sie hab’n mir ‘was andres gegeben.«
    »Was haben Sie denn erwartet, Judd?« erwiderte Phillips und setzte nach kurzem Schweigen hinzu: »Ich habe es nicht gern, wenn Sie Außenstehende mit den Kindern in Kontakt bringen, Judd.«
    Er wusste es also doch.
    »Ich hab’ nichts verbroch’n, Doc«, wimmerte Judd, dem der Schreck nun doch anzumerken war. »Kitteridge weiß nix. Er meint, Jonas is’ plemplem.«
    Warren Phillips’ Stimme wurde eisig. »Das ist unwesentlich, Judd. Sie kennen die Regeln. Die Kinder müssen von Außenstehenden abgeschirmt werden.«
    »Aber ich brauch’ meine Spritze, Doc«, bettelte Judd. »Sie könn’ mich doch nich’ so sterb’n lassen. Sie...«
    »Ohne mich wären Sie schon vor vielen Jahren gestorben, Judd. Und da gibt es noch ein Problem.«
    Judd zog sich vor Angst der Brustkorb zusammen. »Was für ein Problem?« wollte er wissen. »Ich hab’ bezahlt.« Er flüsterte. »Ich hab’ doch immer bezahlt...«
    »Darum geht es nicht, Judd«, unterbrach Phillips. »Es betrifft die Kinder. Wir haben nicht mehr genug Kinder.«
    »Da komm’ ich nicht mit«, knurrte Judd. »Sie hab’n gesagt, es käm’ alles in Ordnung. Da draußen im Moor gibt’s doch jede Menge Kinder. Letzten Monat hatten Quint und Tammy-Jo eins, und Amelie...«
    Phillips schnitt ihm das Wort ab. »Es reicht nicht, Judd. Wir haben einfach nicht genug für alle. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Um Judd drehte sich alles. »Was?« stieß er hervor. »Was woll’n Sie? Ich bin zu allem bereit.«
    Phillips schwieg eine Zeitlang, bevor er erklärte: »Ich habe Ihnen bereits gesagt, was ich brauche, Judd. Meine Kinderstation ist fast leer. Nachschub, Judd. Ich brauche Nachschub. Besorgen Sie mir Nachschub, und ich gebe Ihnen Ihre Spritze. Die volle Dosis.«
    Die Leitung war tot.
    Judd legte den Hörer mit zitternder Hand auf. Fieberhaft dachte er nach.
    Er wusste, was Phillips wollte. Er kannte den Preis für den Fehler, den er neulich begangen hatte.
    Doch wie könnte er das, was der Arzt von ihm verlangte, beschaffen?
    Er schaute auf die Armbanduhr, vermochte aber zunächst nichts zu erkennen.
    Er blinzelte. Dann sah er das Zifferblatt.
    Halb neun.
    Morgen.
    Morgen würde er einen Weg finden.
    Als er wieder zum Spiegel ging, spürte er einen seltsamen Schmerz in den Hüften und in den Knien.
    Er atmete schwer. Er war schon vom Durchqueren des Raumes erschöpft. Er blickte noch einmal in den Spiegel.
    Alt.
    Er sah alt aus, und er fühlte sich alt.
    Aber die Nacht würde er durchstehen.
    Er würde sich ausruhen und am Morgen eine neue Quelle für Warren Phillips finden.
    Und Phillips würde Judd Duvals Jugend wiederherstellen.
    In Villejeune ging das Leben weiter - ewig.

15
     
    »Zeit, dass du schlafengehst, junge Frau«, sagte Barbara Sheffield zu Jenny, die mit

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