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In den Klauen des Tigers

In den Klauen des Tigers

Titel: In den Klauen des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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einer Mulde. Trägheit machte ihn
schwer. Dennoch pirschte er weiter, wobei er etwas von der ursprünglichen
Richtung abkam.
    Jetzt hielt er auf Lerchenau zu.
    Er stieß auf einen der präparierten
Fleischbrocken. Mit mäßigem Interesse beschnüffelte er ihn. In hungrigem
Zustand wäre er sicherlich darüber hergefallen, ohne den merkwürdigen Geruch
wahrzunehmen. Aber jetzt war sein Bauch voll, und das Betäubungsmittel hätte
ihn beinahe veranlaßt, seine Tigernase zu rümpfen.
    Er rührte den Brocken nicht an.
    Er lief weiter — auf Lerchenau zu. Er
sah die Häuser. Aber die verunsicherten ihn nicht. Sowas kannte er.
    Langsam schob er sich unter den Bäumen
hervor. Dann verhielt er. Jenseits der Gärten, auf der Straße, bewegte sich
jemand.
    Weinschenk, der Polizist mit dem roten
Gesicht, hielt den Atem an. Seit er hier war mit seinem Kollegen hatte er an
kaum was anderes als an den Tiger gedacht. Aber jetzt — jetzt sah er ihn.
    Was für ein herrliches Tier!
    Weinschenk liebte Katzen. Freilich —
sein Siam-Kater zu Hause war ein paar Nummern kleiner.
    Auf den schieße ich nicht! dachte er.
Wollte nicht dieser Tierarzt mit seinem Narkose-Gewehr kommen? Hab da doch was
läuten gehört...
    Er blickte über den Garten, beobachtete
Napur. Der Tiger stand wie aus Bronze gegossen. Sonnenlicht setzte helle Tupfer
auf sein — eher dunkles — Fell. Jetzt bewegte er den Kopf zur einen, dann zur
anderen Seite.
    Er war etwa fünf Meter von der
Rückseite des Plockwindschen Grundstücks entfernt.

12. Das Narkose-Gewehr
     
    Als sie sich dem Waldrand näherten,
stand der Streifenwagen quer auf der Fahrbahn.
    „Die machen aber wirklich ‘ne Schau
draus“, sagte Zeisig.
    „Oder sie gehen inzwischen Kaffee
trinken“, lachte Tarzan, „und verlassen sich darauf, daß an dem Streifenwagen
kein Fahrzeug vorbeikommt.“
    Das wäre tatsächlich nicht möglich
gewesen, denn die schmale Straße wurde von Gräben begrenzt. Doch die Besatzung —
zwei jüngere Polizisten — hatte ihren Posten selbstverständlich nicht aufgegeben.
    Daß die vermeintlichen Lerchenauer zur
Stadt wollten, schien ihnen begreiflich.
    Ein schlacksiger Uniformträger stieg
aus, während sein Kollege den Streifenwagen mit mehreren Manövern parallel zum
Randstreifen ausrichtete.
    „Tag!“ Der Schlacksige trat zu Zeisig
ans Fenster, grüßte und gestattete sich ein wissendes Lächeln. „Wird’s
ungemütlich in Lerchenau?“ meinte er vertraulich.
    „Bis jetzt ist alles in Ordnung“, sagte
Zeisig.
    „Der Tiger läßt sich nicht blicken,
wie?“
    „Jedenfalls haben wir ihn nicht gesehen“,
erwiderte Zeisig — und hätte am liebsten hinzugesetzt: leider!
    „Für Schutz ist ja gesorgt“, meinte der
Schlacksige. Dann drehte er sich um.
    Sein Kollege hatte gerufen, hielt sich
den Sprechfunkhörer ans Ohr und gestikulierte (Bewegungen machen). Das
Fenster war geöffnet.
    „Was ist?“ rief der Schlacksige.
    „Der Tiger ist in Lerchenau“, rief sein
Kollege. „Weinschenk hat ihn gesehen. Ein gewisser Dr. Jansen kommt her. Das
ist wohl dieser Tierarzt mit seinem Narkose-Gewehr.“
    Na also! dachte Tarzan. Napur, du
Biest, hättest mir zwar fast den Hintern abgebissen. Aber das ist nun mal
Tigerart. Keine Feindschaft deshalb! Jetzt hast du eine Chance. Hoffentlich
halten die Lerchenauer Polizisten sich zurück. Bitte, keine MP! Bitte, Dr.
Jansen! Bitte, das Narkose-Gewehr!
    Leni jubelte. Zeisig hatte die Hände
zusammengepreßt — wie zu einem herzhaften Gebet. Robert und Nino sprangen
bereits auf die Straße.
    Verdutzt beobachtete der schlacksige
Polizist diesen Freudenausbruch.
    „Was ist denn los?“
    „Verstehen Sie nicht?“ rief Zeisig. „Napur
kann gerettet werden. Jetzt kann er am Leben bleiben. Es ist unser Tiger. Wir
sind vom Zirkus Belloni.“
    Der Polizist zog sich die Mütze in die
Stirn. „Ich staune. Sie hängen ja an dem Raubtier wie an einem Hund. Hm. Naja!
Warum nicht! Ich bin Aquarianer! Ich habe Zierfische zu Hause. Manche nur halb
so groß.“ Er zeigte seinen kleinen Finger. „Aber mir ist jeder ans Herz
gewachsen.“
    Jetzt hieß es: Warten auf Dr. Jansen.
    Er kam bald. Er war jung, hatte
blauschwarzes Haar und ein kerniges Gesicht. Tarzan mochte ihn auf Anhieb.
    Eilig erklärte er den Zeisigs, daß er
eher nicht hätte kommen können, die Operation des Gorillaweibchens wäre unaufschiebbar
gewesen.
    „Ist geglückt!“ strahlte er. „Und jetzt
werden wir Napur einschläfern.“ Er wies auf das Narkose-Gewehr, das

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