In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)
könnte vorsorglich unsere beiden Apartments durchsuchen. Sie könnte das Haschisch finden und das Gras, und ich bin sicher, bei Manzio gab es auch andere Sachen. Auch wenn wir vorher alles wegräumen würden — sie könnten in Aschenbechern Restspuren von THC finden oder irgendwelche Hanffasern. Und sogar dann, wenn wir die Aschenbecher alle reinigen würden, wäre es zu riskant. Die Spuren stecken in unserem Blut, in unseren Haaren, sicher auch in unserem Sperma. Weiß Gott wo die Bullen da überall nachsehen.
Aber man konnte doch einfach mal ins Internet gehen, mit ein paar Leuten chatten, bisschen Plan machen. Es würde schon klappen. Es war eine obskure Situation. Und es war nichts, als ein sanfter erster Geigenstrich in einer Ouvertüre. Ein Intro. Gott, der DJ, war noch gar nicht richtig auf seine Kanzel geklettert, um die Platten anständig zum Rotieren zu bringen. Das hier war nur die CD mit den Urwaldgeräuschen, die der Roadie vorher eingelegt hatte.
»Der Streit«, murmele ich plötzlich.
»Der Streit?« wiederholt Manzio.
»Jetzt weiß ich, warum sie sich gestritten haben«, plappere ich bekifft vor mich. »So klar. Mann. Krass.«
»Könntest du diese frischen Gedanken etwas elaborieren?« ermahnt mich Manzio mit gerunzelter Stirn. Seine Sprache leidet nie unter dem Shit.
»Die haben sich gestritten. In der Nacht. Vor paar Wochen. Frau Mahr schrie über den Gang, sie werde es nicht dulden. Und er — also Herr Mahr — solle nicht vergessen, wer ihr — als Frau Mahrs — Vater sei.«
»Und was hat der Spacken darauf geantwortet?«
»Mahr gab nur so ein gedämpftes Zischen von sich.« Ich imitiere es für Manzio.
»Sehr authentisch...«, stimmt der bekiffte Italiener zu, um meine Darbietung zu würdigen.
»Und dann meinte Mahr halbleise: Glaubst du ich wollte, dass die hier sind? Wir können es ihm nicht abschlagen. Nicht jetzt.«
»Wir können es ihm nicht abschlagen«, wiederholt Manzio flüsternd, versunken in seine Gedanken. »Nicht jetzt.«
Draußen in der Ferne poltert ein leiser Donnerschlag. Es klingt wie Gewehrschüsse, die aus großer Entfernung hallen.
»Die verkaufen jetzt schon Böller«, brummt er abgelenkt. »Das ist genau der Grund, warum die Welt so kaputt ist. Wenn jeder seinen eigenen Perversionen eine Grenze setzen würde, könnte man recht schräg leben und trotzdem würde alles funktionieren. Aber heute meint jeder, wie Caligula zu sein. Weihnachtsgebäck gibt es schon im September, Feuerwerk schon im Oktober. Hauptsache kaufen, kaufen, kaufen...«
»Es gibt schon Böller in den Läden?« stammele ich etwas unkonzentriert. In meinen Gedanken flammt eine ferne Erinnerung auf.
»Klar, hörst du doch. Damit die Kids Zeit haben, sie alle auszutesten und dann neue zu kaufen... Scheiß-Fuck-Konsum.«
Ich bin zu breit, um all seinen mehr oder minder geistigen Abschweifungen folgen zu können, habe ich doch genug mit den eigenen zu tun.
»OK, Alter...«, ruft mich Manzio wieder auf den Plan. »Kommen wir aber doch zum Thema zurück. Was haben wir bis jetzt?«
Er streicht mit seiner Hand das Kinn entlang und überlegt. »Mahr ist diszipliniert. Er treibt es mit den Mädels nur am Sonntag. Die restlichen Tage bringt er ihnen Essen und manchmal saubere Kleidung. Es spricht vieles dafür, dass sie bei ihm gestrandet sind und er nicht weiß, wie er die Ware wieder loswerden soll.«
Das klingt für mich vernünftig. Manzio scheint den vollen Durchblick zu haben. Meine Checkung ist da weniger bahnbrechend, doch in seinem Kielwasser wird schon alles gutgehen. Ich kann mir in diesem Augenblick nicht vorstellen, dass das Schicksal will, dass ein so einzigartiger und vollkommen abgespaceter Typ vom Lauf der Dinge zermalmt werden soll, nur weil er sich dafür entscheidet, etwas Gutes zu tun.
»Wir sollten keine Zeit verlieren. Morgen Abend arbeiten wir die Details aus und am Donnerstag lassen wir es krachen. Magst du noch was kiffen?«
Ich habe im Grunde keine Ahnung, wovon er so entschlossen spricht. Bis auf die Frage am Ende. Also sage ich ja.
Fragment: Vom Assistenzbuchhalter zum Drogendealer
Frau Trockengruber hasste es, Buchhalterin genannt zu werden — wenn es jemand tat, korrigierte sie ihn sofort mit schlecht verdeckter Wut.
»Ich bin die Leiterin der Abteilung Rechnungswesen«, zischte sie dann, und ihre Augen erinnerten an Lee van Cleef. Für mich allerdings war sie insgeheim die ganzen Jahre nur die »Zettelschlampe«. Ich weiß gar nicht mehr, ob der Spitzname
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