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In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

Titel: In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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hätte natürlich auch zum Arbeitsamt gehen können. Aber meine Devise war, nichts zu tun, bei dem man eine Nummer ziehen muss. Ich überlegte auch, wie das wohl wäre, regelmäßig auf einer öffentlichen Toilette alten Knackern einen runterzuholen. Es war sicher leicht, ihnen dabei fünfzig Mark abzuschwatzen. Ich war zweiundzwanzig Jahre alt und wäre für sie sicher der Held des Tages.
    All diese spontanen Versuche des Nachdenkens waren unnötig. Denn die Lösung meiner Probleme saß vor mir.
    »Es gibt nicht viel, was man dabei beachten muss«, meinte er. »Ein paar Spielregeln. Und sonst musst du nur noch wissen, was der Unterschied zwischen einem Skunk aus Amsterdam und einem Ketama aus Marokko ist.«
    Die Vorstellung, dass ich nun ebenfalls einer ehrlichen Beschäftigung nachgehen könnte, war durchaus reizvoll, und so gab ich die anfängliche Scheue auf und ließ Manzio gewähren, mich in die Finessen des weichen Drogenhandels einzuweihen.
    »Wir werden das Duo Righeira des weichen Drogenhandels«, verkündete Manzio verschwörerisch.
    Von nun an saß ich oft bei den geschäftlichen Kiffereien an seiner Seite und amüsierte mich über dieses seltsame Kino, das da ablief, während den ganzen Abend über Leute in seine kleine Wohnung kamen und sich im Schneidersitz an das niedrige Tischchen setzten, das bedeckt war mit Rauchzubehör, geöffneten Überraschungseiern, CDs von Stereolab und Momus, Büchern von Terence McKenna, einem Dutzend halbleerer Plastikflaschen mit abgestandener Coca Cola oder Fanta, zerknüllten RedBull-Dosen und ungesunden Fressalien wie Puffreis mit Schokoüberzug oder Karamelltörtchen.
    Manzio erzählte mir stets, die Unordnung auf diesem Tisch sei nur Tarnung. Ein Ambiente für die Kunden, die selbst nur im Chaos lebten und sich somit an einem versifften, unordentlichen Tisch wohler fühlten. Aber ich glaubte ihm kein Wort.
    Es kamen Typen mit Skateboards unter dem Arm in sein Zimmer, oder Kerle in hautengen Fahrradanzügen, mit neonfarbenen futuristischen Schutzhelmen in der Hand. Oder Frauen, deren viel zu weite Khaki-Hosen gerade noch so an den Hüften hingen, während ihre Tangas fast bis zu den Rippen hochgezogen waren. Es kamen Banklehrlinge, die verschämt und hastig vor dem Haus noch die Krawatte abnahmen, zusammenrollten und in ihrem Jackett versteckten und es kamen interessante Menschen. Leute vom Theater, Tänzer und Musiker. Es machte sie sympathisch, dass sie der Situation mit einem gewissen Unbehagen begegneten. Sie saßen nicht dort, weil sie schon immer mal einen Tisch sehen wollten, der mit Müll bedeckt war, sondern weil wir in der Prohibition leben, die von versoffenen Politikern aufrechtgehalten wird, die über Dinge walten, mit den sie nicht einmal die Nähe einer Erfahrung verbindet.
    Und so wurde ich ein Drogendealer. Ich war privat krankenversichert, lebte sichtlich unauffällig und vermied es, provokante Frisuren und kontroverse T-Shirts zu tragen, und mit Stoff in der Tasche durch die Straßen zu laufen. Low profile — safe profit. Wir wollten anders sein, und wir waren es.

1.06 Soft Sing-Sing

    Vor einem Jahr bin ich in dieses seltsame Haus in der Theresa-Berkley-Straße in Westend eingezogen. Und schon damals hätte mir so einiges auffallen sollen. Das Haus war rot und hatte grüne Holzbalken entlang der Fassade. Es sah brav und bürgerlich aus. War ich hier richtig? Ich? Aber es gab keinen einzigen Blumenkasten an einem der Balkongeländer oder auf den Fensterbrettern. Hier wohnte man also nicht lange.
    Der Haupteingang war martialisch. Kein Glas, kein Holz, keine der üblichen rustikalen Materialien — sondern graues, bleiartiges Eisen, aus der Ferne glatt, doch von Nahem als schwielige, narbige Fläche erkennbar. Vier Schlösser, hinein geschweißt in diese Klosterpforte.
    Ich musterte die quadratische Fläche, auf der sich gut hundert Klingeln befanden. Kleine moderne Plastikschalter, mit weißen eingeschobenen Papierchen für die Namen. Unten, in der rechten Ecke stand »Mahr — Hausmeister« auf einen Plastiktextstreifen gedruckt und auf die Klingel geklebt. Ich drückte sie kräftig und trat einen Schritt von der Tür zurück. Erst jetzt bemerkte ich die Kraniche über dem Eingang. Sie passten nicht zu der bayerischen Mischung aus Rauputz und Eichenholz — dafür hatten sie zu viel Würde. Ich fragte mich, ob ein Asiate hier mal seine fehlende Miete abgearbeitet und diese vier erhabenen Vögel, so fern der Heimat, in einen gezeichneten Teich

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