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In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

Titel: In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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mich und hüllte sie in meinen langen Mantel.
    »Ich weiß, dass ich krank im Kopf bin«, flüsterte Evelyn. »Und das Leben ist für mich, damit klarzukommen.«
    »Vielleicht bist du nicht krank. Nur die anderen sind es.«
    »Ich bin krank«, erwiderte sie trotzig.
    »Nicht für mich«, hauchte ich ihr in den Nacken und drückte sie noch fester an mich.
    »Es ist etwas in mir, dass ich nie richtig erklären konnte...«, fuhr sie leise mit dem Gesicht auf meiner Brust fort, »Etwas in mir sehnt sich manchmal nach dem Unangenehmen und Abstoßenden. Nach dem Gegenteil von dem, was gut für mich ist. Und du...«
    Sie blickte hoch. Ihre Augen zitterten.
    »...Du bist mir manchmal einfach zu nett.«
    Ich wusste, dass ich an diesem Sachverhalt nichts ändern konnte. Es würde nichts nutzen, sich nun wie ein Mistkerl zu gebärden. Darum ging es nie. Das hier war nur eine der Facetten ihrer komplexen Psyche und es war doch vom ersten Augenblick an klar, dass ich es nie schaffen würde, allen ihren Aspekten gerecht zu werden.
    Warum muss zwischen zwei Menschen stets alles so kompliziert sein?
    Als erriete sie meine Gedanken, sagte sie: »Ich lasse schließlich genug in meinem Kopf drin, statt es raus zu lassen. Ich gehe nicht in eine Biker-Bar, um mich dort mit gespreizten Beinen auf den Billardtisch fallen zu lassen« Sie legte kurz ihre Hand auf die meine. »Und wenn du mich schlägst, fühle ich mich sicher.«
    »Das geht in deinem Kopf vor?« erwiderte ich abgelenkt. Ich war gedanklich noch bei der Biker-Bar und dem Gangbang auf dem Billardtisch.
    »In allen Köpfen gehen doch Dinge vor, die dort lieber bleiben sollten«, meinte sie, ohne dass sie vorhatte, diese Phantasie weiter zu erörtern.
    Evelyn befreite sich sanft und doch bestimmt aus meiner Umarmung. Sie schien ihre Fassung wiedergewonnen zu haben. Sie war wie ein Chamäleon das flink die eigene Farbe verändert. Nun war sie wieder die kühle Überfrau, mit der ich mir mal das Taxi geteilt hatte.
    »Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der es nur die drei großen ›M‹ gab: Monogamie und Monotonie und Monotheismus. Ich hatte dieses Monodenken irgendwann einfach satt. Aber wenn die Monomenschen uns ansehen, sehen sie nur entartete Tiere, die an AIDS und Drogen sterben. Ich wollte aber nicht in ihrer grauen Monowelt leben. Ich wollte ohne die Lügen des Alltags leben. Jeder in der Welt der drei ›M‹ belügt jeden, inklusive sich selbst. Eltern belügen ihre Kinder. Kinder belügen ihre Eltern. Menschen gehen notorisch fremd und belügen ihre Liebschaften, ihre Ehepartner und sich selbst. Es ist alles so scheinheilig. Nein, danke!«
    Ich war in der Theorie ihrer Meinung. Die Worte klangen wie mein eigenes Vorwort zu dem Buch Ein Leben gegen die Spießer , das ich sicherlich eines Tages schreiben würde. In der Theorie lassen sich diese Dinge recht zufriedenstellend entwerfen. Die Praxis zwingt uns dann zu einer Auseinandersetzung mit den Hürden. Mit der Eifersucht und mit dem Ego. Mit Instinkten und generationenlanger Doktrin.
    Es gab Momente, da wuchs mir diese ganze SM- und Polygamie-Geschichte über den Kopf. Da war ein kleiner Arzt in meinem Kopf, der manchmal versuchte, mit seiner dünnen Stimme so unmoderne Dinge wie zum Beispiel Gewissen oder Ehre anzusprechen. Ich habe diesen Stimmen in mir nie zu viel Bedeutung beigemessen. Der kleine Arzt in meinem Kopf hatte aber vielleicht Recht. Ich fühlte mich auf eine schwammige Art schuldig. Denn ich fragte mich, ob ich langsam verrohe und zu einem Schurken werde, der seine Lust aus dem Quälen von Mädchen bezieht. Der Patient wehrte das ab. Schließlich, sagte ich mir, bin ich kein balkanischer Scherge, der in zerbombten Kellern Frauen vergewaltigt. Aber sicher war ich mir nicht. War das nicht alles eine allegorische Spielart genau solcher Greueltaten? Bedeutete das alles nicht immerhin, dass ich auf jeden Fall eine größere Tendenz zur Bösartigkeit besaß? Aber Allegorien sind nur weitere Banalitäten, die wir ständig von uns geben, unwillig einzusehen, dass dasselbe Ding für den einen Fluch und für den anderen Segen bedeuten kann.
    Aber war dieser ewige Oberton des Gewissens, der in der hohlen Leere meines Wesens kleinlaut mitschwang nicht der endgültige Beweis dafür, dass ich bei allem, was ich tat, doch nur ein Fake war? Robert hörte sicherlich keine solchen Echos in sich.
    Ich dachte darüber nach, was mit einem Menschen wohl passierte, wenn er ausschließlich nach seinem reinsten Gewissen

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