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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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summte, und es klang fast spöttisch. Als der Comptroller die Hygienezelle verließ und den Wohnbereich betrat, hatte er seine Fassung wiedergewonnen, und sein Gesicht war eine starre Maske, die den größten Teil seines Ärgers verbarg. Die Sitzlandschaft des Verweilbereiches bestand aus einzelnen, nach persönlichem Geschmack veränderlichen Elementen. Aus einem froschähnlichen Geysir spritzte aromatisiertes Wasser, und aus dem kleinen Teich, um den sich die Sessel gruppierten, wuchs eine genangepaßte Stechpalme bis zur Decke hinauf.
    Auf dem Boden glänzte das graue Ferroplasma.
    »Warum haben Sie am Shuttle-Terminal nicht auf mich gewartet?« fragte Marita Ribeau. Clay ließ sich ihr gegenüber in einen Sessel sinken und musterte sie. Sie trug ein hautenges, silbernes Gewand, das aus einzelnen Schuppen bestand und bis weit hinauf geschlitzt war. Ihre Brüste ragten aus zwei Öffnungen im Kleid heraus, und zwei programmierte Elektrische Fliegen sausten um die Warzen herum. Ihr Gesicht war schmal und dunkel – wahrscheinlich unterzog sie sich in regelmäßigen Abständen einer Ultraviolett-Tönung –, die Nase klein und gerade, die Lippen voll. Ihre Augen glichen zwei großen, nußbraunen Murmeln, und ihr Zwinkern war verwirrend: Wenn sie die Augen schloß, blickte sie ihn trotzdem an, denn ihre Lider waren mit zwei Tätowierungsaugen geschmückt, die jeweils eine große Träne weinten. Ihr Haar glich einem Nebel aus Gold, der wie eine Krone auf ihrem Kopf ruhte.
    »Gefallen sie Ihnen?« fragte Marita Ribeau.
    »Was?«
    »Meine Brüste. Sie starren sie dauernd an.«
    Clay spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoß, und sein Ärger wuchs. Seiner Meinung nach bot diese Frau einen schamlosen Anblick.
    »Wenn du so auf der Erde herumlaufen würdest ...«
    »Wir sind hier auf der Venus, worüber Sie sich offenbar noch immer nicht klargeworden sind.« Sie lächelte nachsichtig. Sie spielt mit mir, dachte Clay erbost. Diese verdammte Hure spielt mit mir!
    »Entschuldige«, preßte er zwischen den Zähnen hervor. Es klang noch unfreundlicher, als er befürchtet hatte.
    »Entschuldigen Sie.«
    »Bitte?«
    »Wie ich bereits sagte: Wir sind hier nicht auf der Erde. Ich erwarte von Ihnen, daß Sie mir den gleichen Respekt entgegenbringen wie einem Gleichgestellten. Dazu gehört auch die Anrede in der dritten Person Plural. Verstehen Sie?«
    Wieder dieses Lächeln. Und die Elektrischen Fliegen summten weiter in atemberaubendem Tempo um ihre Brüste.
    Clay beugte sich vor, und diesmal war die rote Tönung seines Gesichts nicht auf Verlegenheit zurückzuführen. »Hören Sie«, sagte er langsam und kühl und betonte dabei die Anrede. »Man hat im Raumschiff mein Gespräch mit der Erde abgehört und meine Kabine durchsucht, und kaum komme ich auf der Venus an, da macht mir so ein verdammter Schwuler ein mehr als eindeutiges Angebot. Danach kommt es auch noch zu einem Mordanschlag auf mich, dem ich mit knapper Not entgehen kann und wobei mir Blutsauger angelegt werden. Und da wollen Sie sich allen Ernstes über die Form der Anrede mit mir streiten?«
    Ihr Lächeln war unerschütterlich. Sie deutete zu Boden. Clay blickte an sich herab und sah, daß sich das Ferroplasma vor seinen Füßen zu kräuseln begann. Er fluchte lautlos.
    »Bei Föderatus ist Ihre Aggression registriert worden. Ihnen wird hiermit die Auflage erteilt, Ihre Herberge nur noch in meiner Begleitung zu verlassen. Das Amt des Sozialkoordinators hat mich Ihnen zugeteilt. Sollten Sie sich über diese Anweisung hinwegsetzen, Comptroller, droht Ihnen sofortige Abschiebung.« Sie stand auf und glättete ihr Kleid. Es war eine faszinierende Bewegung. »Ich schlage vor, ich hole Sie in acht Stunden hier ab. Ein Gesprächstermin mit Yama Jambavat ist bereits vereinbart. Acht Stunden – das sollte Ihnen Zeit genug geben, Ihr erhitztes Gemüt ein wenig abzukühlen.«
    Sie nickte ihm freundlich zu, schritt auf die Tür zu und ging hinaus.
    Claybourne starrte ihr noch eine ganze Weile schweigend nach. Dann verzerrte sich sein Gesicht, und er packte eine tönerne Blumenvase und schleuderte sie an die Wand, wo sie krachend zerbarst.
    Als er kurz darauf in den Spiegel sah, mußte er feststellen, daß sich der rote Pustelbefall in seinem Gesicht noch weiter verstärkt hatte.
     
    Das Büro Yama Jambavats war in einer Tropfsteinhöhle untergebracht. Es war natürlich keine echte solche Höhle, denn es gab keine Stalagmiten und Stalaktiten auf der Venus. Es handelte sich um

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