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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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eine verblüffend echt wirkende Nachbildung aus kalkgetränktem Protoplasma, das man durch eine entsprechende genetische Strukturierung zu einem derartigen Wachstum veranlaßt hatte. Wasser tropfte hier und dort von der Decke und sammelte sich in kleinen Teichen. Versteckte Scheinwerfer hoben besonders bizarre Kalkformationen aus dem allgemeinen Zwielicht hervor. Der Schreibtisch des Sozialkoordinators war aus echtem Holz, das in der Lokation Allnatur wuchs. Yama Jambavat erhob sich, als Marita Ribeau in Begleitung von Claybourne S. Dalmistro an seinen Arbeitsplatz herantrat, und er reichte zuerst ihr und dann dem Comptroller die Hand.
    »Herzlich willkommen auf der Venus, Comptroller«, sagte der Sozialkoordinator. Er deutete auf den unmittelbar vor dem Schreibtisch stehenden Sessel, dann auf einen anderen, der ein wenig abseits stand und über eine integrierte Computerkonsole verfügte. Clay setzte sich und beobachtete, wie auch Marita Platz nahm. Ihre Augen zwinkerten ihm zu, einmal weinend, dann lachend. Ihr Haar war nun nicht mehr goldfarben, sondern glich einem braunen Schleier aus Seide, der ihr bis zum verlängerten Rücken hinabreichte. Sie trug nicht mehr das silberschuppige Kleid, sondern ein Gewand, das ihre Brüste verbarg. Dafür verfügte es aber über einen Rückenausschnitt, der fast ihre gesamte Kehrseite offenbarte und lediglich – beginnend an den Oberschenkeln – ihre Beine verhüllte. Clay empfand dies als ebenso schamlos wie die Art und Weise, in der sie sich ihm gut acht Stunden zuvor präsentiert hatte. Sie lächelte.
    Sozialkoordinator Yama Jambavat schien mindestens hundert Jahre alt zu sein. Er war klein und unglaublich dürr, als bestände er nur aus Haut und Knochen. Seine Hände waren schmal und faltig, und blaue Adern schimmerten deutlich durch das Pergament, das sich über den Knöcheln spannte. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, und in ihnen schwammen Erinnerungen, die bis zur Zeit der Besiedelung der Venus zurückreichten. Er trug eine schlichte, graubraune Tunika und auf dem Kopf ein turbanähnliches Gebilde, das mit einem Rubin geschmückt war. Er beugte sich vor, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und maß Clay mit einem freundlichen Blick.
    »Ihre Ankunft ist uns avisiert worden«, sagte er mit dunkler und leicht kratzender Stimme. »Wie ich hörte, hatten Sie leider einige Unannehmlichkeiten unmittelbar nach Ihrer Ankunft. Ich bedaure es sehr, daß Sie nicht auf die Sphärenschwimmerin gewartet haben.«
    »Sphärenschwimmerin?« wiederholte Clay stirnrunzelnd.
    »Unsere verehrte Marita Ribeau.«
    »Hm«, machte Clay.
    »Wir sind der entsprechenden UNO-Charta angeschlossen und selbstverständlich gern bereit, einen vom Büro für Financial Investigations beauftragten Comptroller mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Vielleicht können Sie uns kurz schildern, um was es sich bei Ihrer Mission handelt.«
    Clay räusperte sich und schilderte seinen Auftrag mit knappen Worten. Er holte ID-Karte sowie die FI-Bevollmächtigung aus der Tasche und war dankbar, daß seine Erste Frau Carin für eine legale Absicherung gesorgt hatte. Jambavat machte auf ihn den Eindruck eines Mannes, der seinen Beruf verstand und durchaus umgänglich war.
    »Es geht also um Energetensphäre und IMFG?« fragte der Sozialkoordinator, nachdem er die Dokumente in einen Prüfer geschoben und das Gerät die Echtheit der Unterlagen bestätigt hatte.
    Clay nickte. Er bemerkte, wie Marita Ribeau einige Tasten auf der Computer-Konsole betätigte. »Ja«, sagte er. »Das FI ist auf gewisse finanzielle Unregelmäßigkeiten gestoßen und hat mich beauftragt, ihnen nachzugehen. Dazu brauche ich allerdings eine Bevollmächtigung.«
    Jambavat lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Er wirkte ganz wie ein liebenswürdiger alter Mann. »Wie haben Sie sich das vorgestellt?«
    »Oh, ich dachte, Sie könnten mir vielleicht ein Dokument ausstellen, in dem Sie mir Handlungsfreiheit für meine Nachforschungen und Untersuchungen einräumen.« Clay lächelte. »Wissen Sie«, fügte er in einem betont persönlichen Tonfall hinzu, »das würde mir die Arbeit sehr erleichtern.«
    »Natürlich, natürlich«, entgegnete Yama Jambavat und erwiderte das Lächeln. »Das verstehe ich vollkommen.« Er beugte sich wieder vor, ordnete die Unterlagen auf seinem Schreibtisch und holte ein bestimmtes Papier hervor. »Äh, ich habe hier eine Föderatus-Meldung vorliegen. Sie betrifft ... Nun ja, ich

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