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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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Sejeg, so genoß auch der Comptroller diese Pein. Denn sie lichtete die grauen Schwaden vor seinen Augen. Kaum hatte Clay das Dunkel des Nebenganges erreicht, zog er sich an der Felswand hoch. Seine rechte Hand tastete dabei über einen Fladen der grauen Masse, und sie fühlte sich kalt und gummiartig an.
    Stille schloß sich an. Clay keuchte. Die Parasiten boten einen ekligen Anblick, aber sie halfen. Das Brennen wusch die Betäubung aus ihm heraus, und es folgte das Feuer seines Zorns.
    Leise Schritte, katzengleich, wachsam, professionell.
    Clay atmete so flach wie möglich und gab keinen Laut von sich. Er wußte nicht, ob er seinen Muskeln nun wieder vertrauen konnte – aber so, wie sich ihm die Lage darbot, hatte er gar keine andere Wahl. Wut. Ja, Wut war ein Werkzeug, eine Waffe, in deren Umgang er sich geübt hatte. Er schürte die Flammen in sich und spannte seinen Körper wie einen Bogen.
    Im Licht der Chemoleuchten tauchte eine hochgewachsene Gestalt auf. Das Metall eines Blitzwerfers glänzte.
    Clay sprang mit einem Satz aus dem Tunnel hervor, und seine Faust traf Shan Dreistern an der Kehle. Der angebliche Lotse gab einen dumpfen Laut von sich und stürzte zu Boden. Clay hechtete ihm nach, griff nach der Kutte und ließ die Wut aus sich herausströmen. Ein zweiter Schlag, das Ausweichen einer Gegenattacke. Der heiße Atem eines Strahls fauchte an ihm vorbei und fraß sich knisternd in die Decke. Shans Kristallstaubaugen funkelten. Der Lotse versetzte ihm einen Handkantenschlag an den Hals, traf aber nicht die richtige Stelle. Clay taumelte einige Schritte zurück, duckte sich unter einem weiteren Hieb hinweg, versetzte Dreistern einen kräftigen Tritt in die Magengrube und setzte zu einem Sprung in die Richtung an, in die der Blitzwerfer davongewirbelt war.
    Seine Füße klebten am Boden fest. Er verlor das Gleichgewicht und fiel. In der grauen Substanz hatten sich Ausläufer gebildet, die nun an seinen Beinen emportasteten und das von den Parasiten ausgehende Stechen mit heftigem und überaus unangenehmem Brennen unterstrichen. Clay hatte das Gefühl, als erglühe sein ganzer Leib. Shan Dreistern lag zusammengekauert an der Wand und rührte sich nicht. Müdigkeit erstickte den Zorn des Comptrollers, und kurz darauf flossen die Auswüchse der grauen Masse von ihm ab. Er starrte auf Hände und Arme: Sie waren von roten Pusteln übersät. Er taumelte durch den Korridor, und die Schwäche in ihm war wie ein bleiernes Gewicht, das ihn zu Boden zerren wollte. Irgendwann fand er das Fahrzeug, mit dem Shan Dreistern ihn hierhergebracht hatte. Er entriegelte das Gepäckabteil. Tasche schwebte daraus hervor.
    »Sie haben offenbar Schwierigkeiten gehabt, Comptroller«, sagte Tasche. »Ich schlage vor, daß Sie sich in Zukunft nicht von mir trennen.«
    Clay stieß einen Fluch aus und sank in die Polster der Fahrgastkapsel. »Bring mich zur Herberge Süßer Schlaf. Hast du ... die Koordinaten?«
    »Die Datenabsorption im Informations-Pavillon war vollständig«, entgegnete Tasche ein wenig vorwurfsvoll. »Ich bin durchaus in der Lage, Ihnen die Koordinaten jeder Venus-Lokation zu nennen. Übrigens: Fühlen Sie sich nicht wohl? Diese Pusteln in Ihrem Gesicht ...«
    »Bring mich zur Herberge und halt endlich die Klappe!« schrie Clay, dann sank er in die Polster zurück und schloß die Augen. Tasche verband sich mit den Kontrollsystemen des Fahrzeugs. Unmittelbar darauf ruckte der Wagen an und sauste durch den Korridor davon.
     
    »Das verdammte Zeug will einfach nicht verschwinden!« fluchte Clay aufgebracht. Tasche hatte sich geöffnet und schwebte direkt neben der Bademulde. Das Wasser war warm und ölig und umschmiegte die Haut des Comptrollers mit behaglicher Wärme. Über die Kacheln der Hygienezelle flossen Projektionsbilder: Landschaften, Szenerien, Darstellungen, die Clay nichts sagten und denen er deshalb inzwischen keine Beachtung mehr schenkte. Er beugte sich ein wenig vor und lud den Sprüher mit einem anderen Antibiotikum. Sein ganzer Körper war von roten Pusteln bedeckt. Er sah aus wie ein übergroßes Kind, das an Windpocken litt. »Hygienediner?«
    Die in das Bad integrierte Mehrzweckapparatur glitt sofort an die Mulde heran. »Geehrter Gast?«
    »Entferne die Parasiten.«
    Der Hygienediener sammelte die zuckenden und sich windenden Blutsauger ein, die Clay sorgfältig von seiner Haut gelöst und achtlos zur Seite geworfen hatte.
    »Wie fühlen Sie sich?« fragte Tasche.
    »Besser.« Clay knurrte.

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