In den Städten, in den Tempeln
schwieg sie ganz. Halberstadt warf ihr einen argwöhnischen Blick aus seinem Auge zu, während die Linse weiterhin auf Clay gerichtet war. »Ist mit Ihrem Koffer irgend etwas nicht in Ordnung?«
»Wo ist sie?« brüllte der Comptroller. Das Ferroplasma entwickelte kleine Auswüchse, die an seinen Beinen emporkrochen. Clay trat rasch zur Seite und gab sich Mühe, seine Wut zu ersticken. Es fiel ihm schwer.
Akim Halberstadt hechtete aus dem Sessel, sprang einmal um eine aufragende Mutulpenstaude herum und rief mit sich überschlagender Stimme: »Woher soll ich das wissen? Ich kenne keine Shereen Dalmistro, Elef-wasweißich. Und ich will sie auch gar nicht kennenlernen.« So plötzlich wie zuvor beruhigte er sich wieder und trat an den Comptroller heran. Auf seiner kalkweißen Haut glänzte Schweiß; die Kunstsonne schwirrte surrend um ihn herum. »Hören Sie, Comptroller. Ich weiß wirklich nicht, wo Ihre Tochter ist. Vielleicht wurde sie tatsächlich von einem unserer Gottgesandten auf den rechten Weg geführt, woraufhin sich ihre Seele läuterte und sie den nur allzu verständlichen Wunsch verspürte, in der Energetensphäre ihr Heil zu suchen und zu finden. Aber ich kann Ihnen darüber leider keine Auskunft geben. Dazu ist nur der Hyperprotektor selbst in der Lage, und unser innig geliebter Schutzengel aller Geistwesen und Körperlosen schickt sich gerade an, eine Heilige Zeremonie durchzuführen, bei der er auf keinen Fall gestört werden darf, wie Sie sicher verstehen. Einer der Novizen hat die erforderliche Stufe der Reinheit erreicht, um nun endgültig die Bürde des Fleisches und der mit Schmutz belasteten Leiblichkeit abzustreifen und einzugehen in das Reich geläuterter Seelen. Ich bin jedoch davon überzeugt, daß er Ihnen im Anschluß an diese Zeremonie mit Vergnügen alle Fragen beantwortet, und vielleicht widerfährt Ihnen sogar das Glück, daß er Ihnen seinen Geheiligten Segen erteilt.« Halberstadt schüttelte unwirsch den Kopf, offenbar selbst überrascht von seinem rhetorisch hervorragenden Vortrag. »Und nun muß ich gehen«, fügte er hinzu, wobei sich seine Stimme wieder überschlug und seine Arme fahrig durch die Luft wirbelten.
»Entschuldigen Sie«, sagte Marita Ribeau höflich und neigte kurz den Kopf. »Können wir an der Zeremonie teilnehmen? Dann ist die Wartezeit nicht so lange, und ich bin davon überzeugt, daß ein wenig Läuterung der Seele des Comptrollers nicht schaden kann.«
»Jajaja, da haben Sie sicher recht. NungutnaschöninOrdnung – kommen Sie mit.«
Halberstadt riß die Tür auf, und das Glühen seiner Kunstsonne geleitete Clay und die Sphärenschwimmerin durch die Gewölbe.
Der Bogengang der Priester lag rund ein Dutzend Meter über dem Boden der riesenhaften Halle. Fackeln brannten in eisernen Halterungen an den Wänden, und ihr unsteter Schein ließ die Schatten der versammelten Preten hin und her tanzen. Sie hockten auf marmornen Stühlen, deren Rückenlehnen üppig verziert waren mit den Bildnissen von Heiligen. Akim Halberstadt hatte sich eine schneeweiße Tunika übergeworfen, und Claybourne war überaus dankbar, nicht mehr die Zuckungen des Magens hinter der transparenten Plastscheibe sehen zu müssen. Den Anblick der grauen Hirnwindungen ertrug er leichter, da es dort praktisch zu keinen Bewegungen kam. Zusammen mit dem Konzilsseligen und Marita Ribeau nahm er am Rande des Bogenganges Platz, und wenn man sich ein wenig vorbeugte und über die steinerne Brüstung hinwegsah, hatte man einen ausgezeichneten Überblick über die Halle und das, was sich weiter unten zutrug. Tasche hatte ihm auf dem Weg hierher zugeflüstert, daß es ihren elektronischen Absorptionskreisen unmöglich gewesen war, den Speicherinhalt des Computers im Tempelbüro zu kopieren. Das gab Claybourne zu denken. Der Code eines entsprechenden Informationsschutzes mußte ausgesprochen kompliziert sein, wenn Tasche daran scheiterte. Denn schließlich war der schwarze Koffer – unter anderem – zu diesem Zweck konstruiert worden: Zugriff zu Daten zu ermöglichen, die einem Comptroller nicht unmittelbar zugänglich waren, aber dazu dienen konnten, einen potentiellen Steuerbetrüger zu entlarven und zu überführen. Warum hatte sich die Energetensphäre auf solche Weise abgesichert?
Auf der Wolke unter der Decke sangen die himmlischen Chöre. Aus Öffnungen in den Wänden schwebten blasenförmige Gebilde hervor – Ergkapseln, die wie Seifenblasen aussahen und in denen junge Männer und
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