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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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Tempel und religiösen Vereinigungen finanzierten sich nur durch Spenden und die Arbeiten ihrer Freghels, jener Freiwilligen Helfer, die nach den Worten Marita Ribeaus die kulturelle Grundlage der hiesigen vielschichtigen Kultur bildeten.
    Der Eingang des Tempels glich einem weit aufgerissenen Maul, das alle verschluckte, die es wagten, ihm zu nahe zu kommen. Gewaltige Säulen, die bis zu dem mit Kunststernen übersäten Felshimmel emporragten, von dem zapfenförmige Fladen des piezopsionischen Ferroplasmas herabhingen. Kolonnaden, geschmückt mit den Bildnissen Heiliger, Mosaikbilder eines vermeintlichen Paradieses, in das die Seelen der Gläubigen eingehen würden, wenn sie nur fest genug im Glauben waren. Clay und Marita schritten an dem langen Strom der Tempelbesucher entlang auf den breiten Eingang zu. Dumpfe Gongschläge ertönten, und ein donnernder, elektronisch verstärkter Baß rief: »Der Hyperprotektor der Siebenten Seligkeit ruft euch zu sich, ihr Jünger der Geistwesen und Körperlosen. Kommt! Kommt! Heute hat Einer Von Uns die Selige Stufe erreicht und wird belohnt mit der Befreiung des Geistes von aller fleischlichen Bürde. Kommt! Kommt! Der Hyperprotektor der Siebenten Seligkeit ruft euch zu sich ...«
    Im Innern des Tempels brannten Tausende von Räucherkerzen, aufgereiht an Wandbalkons und Nebenaltaren, unter gewaltigen Gemälden und kunstvollen Fresken und edelsteinverzierten, marmornen Bildnissen. Projektionsfeuer glommen auf steinernen, mit Ferroplasma überzogenen Blumenimitationen. Dunstige Nebelschwaden zogen auch hier dahin, doch die sich in ihnen formenden Gestalten hatten weiche Gesichter mit verklärtem Ausdruck. Aus Aromadüsen wehten Duftschleier, und die Suggestivsensoren erweckten den Eindruck von Wohlbehagen, Besinnung und Ruhe. Hatte es zuvor den Anschein gehabt, als sei die Zahl der Kirchgänger endlos, so erlebte Clay nun, daß sich die Gläubigen beinahe in dem Saal verloren. Der Großteil von ihnen nahm in den langen Sitzreihen vor dem Hauptaltar Platz, aber auch vor den anderen Heiligen Stätten wurden Andachten abgehalten. Weit oben, unmittelbar unter der von großflächigen Malereien verzierten Decke, schwebte eine Wolke, und auf ihr hockte ein Chor – nackte junge Mädchen, die mit den Rückenflügeln schlugen und deren heller, glockenreiner Gesang von einigen Musikern mit Heiligenschein begleitet wurde, auf Instrumenten, die der Comptroller noch nie zuvor gesehen hatte.
    Clay sah sich suchend um, entdeckte einen von kalten Flammenzungen eingehüllten Priester, der den Kirchgängern Sitzplätze zuwies, und ging mit weit ausholenden Schritten auf ihn zu. Es ärgerte ihn, daß die Suggestivradiation trotz seines Wissens nicht ohne Wirkung auf ihn blieb. Als er den Priester erreicht hatte, streckte er den Arm aus, schob die Hand durch dessen Flammenkokon hindurch und tippte ihm auf die Schulter. Der Mann drehte sich um und starrte ihn an. Die Augen lagen tief in den Höhlen, und in den schwarzen Pupillen glänzte ein ekstasisches Funkeln.
    »Ich möchte Johannitus Edmond de Herbignac sprechen«, sagte Clay fest, und als ihn der Mann verwirrt anstarrte, fügte er hinzu: »Den Hyperprotektor der Siebenten Seligkeit und Schutzengel aller Geistwesen und Körperlosen.«
    »Oh, du seelenbeschmutzter Unwürdiger ...« Der Priester schüttelte tadelnd den Kopf, und die ihn umgebenden Flammenzungen leckten höher. »Das ist völlig ausgeschlossen. Der Heilige meditiert und bereitet sich darauf vor, mit den Geistwesen und Körperlosen Kontakt aufzunehmen. Es ist wirklich unmöglich, daß du ihn ...«
    »Jetzt hör mal gut zu«, zischte Clay, und wieder rührte sich der gerechte Zorn in ihm. »Ich habe keine Zeit für diesen blöden Firlefanz. Ich will Herbignac sprechen, und ich habe die Absicht, ihm einige unangenehme Fragen zu stellen.«
    Der Priester sah ihn traurig an, wirbelte die rasselnde Gebetstrommel an einer langen Kette und malte ein Feuerzeichen in die Luft. Weit oben sangen die Engel ihren himmlischen Chor.
    »O du Unwürdiger, Sohn des Planeten, auf dem die Glut der ewigen Verdammnis regiert; verloren ist deine Seele, wenn du dich nicht besinnst und dem Fluch des Fleischlichen in dir Einhalt gebietest. Sicherlich wird sich der Hyperprotektor auch deiner erbarmen, und gegen eine kleine, wirklich unbedeutende Gebühr mag dein unsterblicher Geist Frieden finden in der Seligen Sphäre der ESPer-Energeten ...«
    »Entschuldige, Heiliger Bruder, Erhabener, der du große

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