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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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tastete über seine Wangen, um festzustellen, ob neue Pusteln gewachsen waren. Die Haut fühlte sich glatt an.
    »Ich grüße Sie, Halberstadt«, sagte Marita, und der Comptroller starrte verblüfft auf den Mann, der hinter dem langen Schreibtisch aus Echteiche saß. Er war etwas kleiner und schmaler als Clay, und seine nackte Haut glänzte schneeweiß im Lichte der Minisonne, die ihn umkreiste und ihm Wärme spendete. Die Lenden waren hinter einem wolkenartigen Schleier verborgen, der von einer im Hüftgürtel untergebrachten Elektronik kontrolliert und stabilisiert wurde. Doch das war es nicht, was Clay so schockierte. Akim Halberstadt hatte sich dem Anschein nach mehreren Operationen unterzogen, und dabei waren der Großteil seiner Schädelplatte und das Fleisch über dem Herzen und dem Magen entfernt und durch transparente Plastscheiben ersetzt worden. Deutlich waren die schmutziggrauen Gehirnwindungen zu sehen, die dicken Venen und Adern, durch die fast schwarzes Blut quoll, der pochende Muskel in der Brust, der es hindurchpreßte, die Zuckungen des Magens und des prall gefüllten Darms. Übelkeit stieg in Clay empor. Halberstadts linkes Auge bestand aus einer halborganischen Verstärkerlinse, die sich nun, unabhängig von der Bewegung des rechten Auges, das den Comptroller musterte, auf Marita Ribeau richtete.
    »Ich habe nur wenig Zeit«, keifte Halberstadt und wedelte mit den Armen.
    »Wir haben nicht die Absicht, Sie lange zu stören. Dies ist Comptroller Claybourne Schuster Dalmistro vom Büro für Financial Investigations. Er ist von der Erde gekommen, um ...«
    Halberstadt sprang auf, und die Wolke um seine Lenden zerfaserte kurz und entblößte für den Bruchteil einer Sekunde ein Glied, dessen innerer Aufbau ebenfalls bloßgelegt war.
    »Comptroller!« rief er mit sich überschlagender Stimme. »Von der Erde! Abschaum und Elend! Zerfall, Untergang und Seelenlosigkeit!« Er sprang umher, warf die Arme empor und rief alle himmlischen Geister um Hilfe an. »Immer wieder holt uns das Weltliche ein. Comptroller! Geld! All die Dinge, denen Schmutz anhaftet und die der Befreiung des Geistes abträglich sind.« Sein Darm wand sich wie eine Schlange. Mit den nackten Fäusten hieb er an die holzgetäfelte Wand hinter dem wuchtigen Schreibtisch und wimmerte schrill: »Wir beschäftigen uns mit dem Seelenwohl derjenigen, die wir zum rechten Glauben führten. Was interessieren uns Dinge wie Geld oder Steuern? Oh, höllische Verdammnis!«
    Abrupt drehte er sich um und musterte Clay aus Linse und Auge. »Was wollen Sie?« Plötzlich klang seine Stimme frostig und beherrscht.
    Der Kerl ist verrückt, fuhr es Clay durch den Sinn. Total übergeschnappt.
    »Wo ist meine Tochter?« fragte er scharf.
    Marita Ribeau seufzte. »Sehr taktvoll.«
    »Ihre Tochter?« wiederholte Akim Halberstadt schrill. Er sprang einen halben Meter in die Luft und ließ sich wieder in seinen Sessel sinken. Tasche summte. Sie war dabei, die Speichereinheiten des Computersystems anzuzapfen, das in Form eines marmornen Zentauren neben dem Schreibtisch stand. »Was geht mich Ihre Tochter an, Terri?«
    Clay trat an den Tisch heran und lächelte kühl. Seine Fingernägel kratzten übers Holz und hinterließen weiße Spuren im Lack.
    »Ich habe den Auftrag, finanzielle Unregelmäßigkeiten im Aktiva-Passiva-Tausch zwischen der Energetensphäre und der Interplanetaren Monetär- und Finanzstudiengemeinschaft einerseits und den Bilanzierungsorganen der UNO, Fachabteilung Religion, andererseits zu untersuchen. In erster Linie aber bin ich hier, weil ich meine Tochter Shereen Dalmistro, LF Neun, suche. Sie wurde auf der Erde von einem Ihrer religiösen Agenten angeworben und hierher entführt. Ich verlange«, Clay hieb mit der Faust auf den Tisch –, »daß Sie sie sofort freigeben! Was haben Sie mit ihr angestellt? Nun reden Sie schon, oder ich ...«
    Er schluckte. Wenn er daran dachte, daß Shereen in diesem Sumpf aus falscher Frömmigkeit und Wahnsinn versunken war ... Unter seinen Füßen kräuselte sich das Ferroplasma, und das Brennen, das in seinen Beinen emporstieg, war eine stumme Warnung.
    Akim Halberstadt starrte wie gebannt auf das Plasma, dann in das glühende Gesicht Clays. »Fühlen Sie sich nicht wohl?«
    »Doch«, erwiderte Clay gefährlich leise. »Aber Ihnen wird es gleich nicht mehr gutgehen, wenn Sie mir nicht sofort sagen, was Sie mit Shereen gemacht haben!«
    Das Summen von Tasche veränderte sich. Ein leises Knirschen ertönte, dann

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