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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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bestand, Haare wie ein Schleier aus Gold. Zunächst stand die Frau fast reglos, dann wandte sie sich langsam zur Seite.
    Es war keine Frau, sondern ein Golem. Seine Augen glänzten in einem trüben Schwarz, und den Wangen haftete jene Art von Bräune an, wie sie nur das Kunstfleisch aufwies, das in den Labors der Geningenieure heranwuchs. Der Golem war nichts weiter als eine leibliche Hülle, ein williges Werkzeug. Er gehörte nicht zu denen, die über eigenen Willen verfügten und sich selbst zu erkennen vermochten. Die Intelligenz des künstlichen Hirns hatte nie Zeit gehabt, sich zu entwickeln.
    Ein Zeroego-Hybride, gelenkt von dem wahren Attentäter, der sich verborgen hielt.
    Die Frau, die keine Frau war, hielt eine Projektilschleuder in der rechten Hand, halb versteckt unter ihrem Gewand. Clay hielt die Luft so lange an, bis sie an der Nische vorbei war, dann ließ er den Atem entweichen, füllte seine Lungen mit frischem Sauerstoff und sprang mit einem Satz aus der Nische heraus.
    Der Golem war fast genauso schnell wie er – aber eben nur fast. Clay schmetterte ihm den Ast auf den Schädel und duckte sich unter dem Lauf der Waffe hinweg.
    Das Ferroplasma auf dem Korridorboden kräuselte sich und begann Auswüchse zu bilden. Es reagierte heftiger, als Clay je zuvor erlebt hatte. Und es reagierte nur auf ihn, nicht auf seinen Gegner, denn der Golem empfand keine Aggressionen, während er versuchte, Clay umzubringen. Es war ein Geschöpf ohne Ich. Ein Zeroego, das ebensowenig ein Gefühl verspüren konnte wie ein Hammer oder ein Meißel.
    Clay duckte sich unter dem Lauf der Projektilschleuder hinweg, und das Geschoß prallte von der nahen Hauswand ab. Die Pseudo-Frau blutete aus einer schweren Kopfwunde. Er trat auf sie ein, während überall um ihn herum entsetzte Schreie ertönten. Das Ferroplasma tastete jetzt hartnäckig nach seinen Beinen und versuchte, ihn festzuhalten. Clay schwang den Ast und versetzte seinem Gegner einen weiteren Schlag, diesmal an den Halsansatz. Der Golem strauchelte. Clay griff nach der Projektilschleuder und entwand sie der sich nur schwach widersetzenden Hand. Dann sprang er mit einem weiten Satz zurück und feuerte.
    Der Golem verendete, ohne einen Laut von sich zu geben.
    Keuchend schwankte Clay von ihm fort. Sein Gesicht brannte, und seine Hände waren infolge der roten Pusteln so angeschwollen, daß er kaum mehr die Waffe halten konnte.
    »Clay ... Clay!«
    Er stützte sich an der Wand ab und hob den Kopf. Marita Ribeau eilte auf ihn zu. Sie griff nach seinen Schultern, um ihn zu stützen. »Gott, Sie haben sie umgebracht! «
    Clay starrte sie nur wortlos an.
    Ein Glitzern war in ihren Augen, als sie mit einer geschmeidigen Bewegung einen Blitzwerfer unter ihrem Gewand hervorzog und die Mündung auf ihn richtete.
     
    Irgendwo erklangen die Schreie von Mammas, vielleicht aus einem Nebengang, vielleicht von einem Schwebenden Teich, vielleicht auch von einer anderen Ebene der verschachtelten Stadt dieser Lokation. Es waren dumpfe Laute, wie ein fernes Dröhnen. Die Zeit war wie eine Seifenblase, die sich in die Länge dehnte, ohne daß dabei ihre schillernde Haut zerriß. Clay blickte in das Gesicht Marita Ribeaus; er betrachtete die funkelnden Kristalltränen unter ihren Augen, die farbigen Darstellungen auf ihren Wangen, den silbernen Haarhelm.
    Das vom Ferroplasma in seinem Inneren hervorgerufene Brennen saugte ihm die Kraft aus den Gliedern. Er spürte das Metall der Projektilschleuder in seiner Hand – ein schweres Gewicht, das an seinem Arm zerrte. Wenn Marita Ribeau den Blitzwerfer auf ihn abfeuerte, konnte er nicht mehr ausweichen. Oh, wie er diese Frau haßte! Sie hatte ihn gedemütigt, ihn seines Stolzes beraubt, ihn lächerlich gemacht ...
    Graue, fadenähnliche Gebilde hangelten sich an seinen Beinen empor. Clay zitterte am ganzen Leib.
    Marita Ribeau sah ihn an. Ihr Gesicht war ernst und zeigte nicht einmal die Spur eines Lächelns. Sie bewegte sich nicht. Und Clay begriff, daß auch die Sphärenschwimmerin in dieser sonderbaren Zone der Zeitlosigkeit gefangen war.
    Das Ferroplasma ließ sie völlig unbehelligt.
    Clay stemmte sich an der Wand in seinem Rücken empor und hatte dabei das Gefühl, gegen eine zähe Masse anzukämpfen. Der Boden unter seinen Füßen war nicht mehr fest und stabil, sondern hatte nun die Qualität eines schlammigen Morasts angenommen. Seine Füße waren bereits ganz darin versunken; seine Beine schwollen an, verwandelten sich in zwei

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