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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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gegenwärtig verminderte Kondition macht eine gewisse Rekonvaleszenz ratsam. Ein Kuraufenthalt in unserem speziellen Sektor zur Rehabilitation von ...«
    »Keine Zeit«, fiel Clay ihr ins Wort. Etwas von seiner gewohnten Tatkraft und Rücksichtslosigkeit kamen wieder in ihm hoch. »Danke.« Er stutzte und schaute umher. »Wo ist Tasche?«
    »Ihr elektronischer Kasten? Der Sozialkoordinator hat ihn persönlich in Verwahrung genommen.«
    »Und was macht er mit ihm?« fragte Clay argwöhnisch.
    »Wenn sich die Gelegenheit ergibt, unterhält er sich mit ihm über die Fünf Non-okkasionalistischen Wege zur Erleuchtung.«
    Clay lachte freudlos auf. »Dabei möchte ich lieber nicht zuhören. Ich muß ihn schnellstens zurückhaben.« Er schaute an sich hinab. »Ich brauche etwas zum Anziehen. Ich muß in meine Herberge. Der Sozialkoordinator soll mir Tasche bringen lassen. Nein, das ist mir zu unsicher. Ich muß ...« Er unterbrach sich und hob eine Hand an die Stirn. Ihm schwindelte. Er wußte nicht, was er zuerst tun sollte.
    »Alles der Reihe nach.« Zum erstenmal, seit sie Clays Krankenzimmer betreten hatte, lächelte die Sphärenschwimmerin. »Ich bin der Ansicht, daß Sie durchaus ein wenig Entspannung vertragen können. Deshalb werde ich uns jetzt einen kleinen Ausflug organisieren.«
    »Und in welches Tollhaus geht's diesmal?«
    »An die Oberfläche.«
     
    Die vollrobotische, hubschraubergroße, totalhermetische Ergblase widerstand der Windstärke ohne Schwierigkeiten. Sie zog ihre Bahn mit ruhiger Gleichmäßigkeit durch gelbbraune bis okkerfarbene Schwaden von Kohlendioxydwolken und unter zyklonischen Wirbelsystemen, ohne vom programmierten Kurs abzuweichen. Dank der stabilen Ergfelder waren in ihrem Innern weder die mehrere hundert Grad Celsius hohe Temperatur noch der Druck von 90 atü zu spüren. Die hohe Dichte der Venusatmosphäre verlieh allem ein etwas verpreßtes Aussehen.
    Clay und Marita Ribeau kreuzten in einer Höhe von nur fünf Kilometern über der Oberfläche. Die zusammenhängenden Wolkenschichten der Venus lagen einige Dutzend Kilometer höher, so daß sie einen mehr oder weniger freien, wenn auch visuell verzerrten Ausblick auf die schroffe Venuslandschaft hatten. Sie überflogen die sonnenzugewandte Tagseite des Planeten. Die thermische Trägheit im unteren Drittel der Venus-Troposphäre war so groß, daß die Turbulenzen in der Wolkendecke, deren Orkane Windgeschwindigkeiten bis zu 360 km/h erreichten, sich in der Flughöhe der Ergblase lediglich mit föhnartigen Ausläufern von Konvektionsströmungen bemerkbar machten.
    Aufgrund seiner von Kindesbeinen an eingefleischten Auffassung, Zeit sei ein Wertgegenstand, hatte Clay sich zunächst gegen eine längere Exkursion an die Oberfläche gewehrt. Doch nun war er froh, sich darauf eingelassen zu haben. Die Distanz von den subvenusischen Siedlungsräumen mit ihren exotischen Lokationen erlaubte es ihm, auch einen inneren Abstand von den Ereignissen zu gewinnen.
    Leicht gewellt erstreckte sich die Landschaft von Horizont zu Horizont, manchmal wie pockennarbig von großflächigen Geröllfeldern, bisweilen in der Beschaffenheit weithin aneinandergereihter Dünen. Die endlose Einöde erregte einen nachgerade ausgemergelten Eindruck. Jahrmillionen klimatischer Abrasion hatten den zweiten Planeten des Sonnensystems rundum in ein Flachland verwandelt. Auf der Venus war der Wind der unvergängliche, unwiderstehliche Gleichmacher.
    Auf einen Arm gestützt, beobachtete Clay vom breiten Ergpolster herab das Vorübergleiten und Zurückbleiben gelbbrauner Ebenen und rostroter Felsformationen. Noch nie hatte er soviel naturbelassene Umwelt auf einmal gesehen. Er erzählte der Ribeau, daß man auf der Erde während eines Flugs mit dem Strato-Jet stundenlang ein einziges Lichtermeer überqueren konnte, das lückenlose Funkeln und Glimmern von Megalopolen, Maxicitys, Mega-Ballungszentren, Industrieregionen und sogar Aquapolen.
    »Ich verstehe nicht, wie man dort leben kann«, sagte Marita leise.
    »Milliarden von Menschen leben dort«, meinte Clay kurz angebunden.
    »Aber wie?«
    »Es ist möglich, weil ständig welche zu Verlierern werden und Platz machen, indem sie krepieren oder sich umbringen, und wenn sie nicht sterben, müssen sie sich mit so geringen Ansprüchen in bezug auf den Lebensstandard begnügen, daß sie den Erfolgreichen und Tüchtigen nicht zur Last fallen und ihre Privilegien kaum beschneiden.«
    »Widerwärtig. Wieso lassen die Menschen sich das

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