In den Städten, in den Tempeln
Bundesgenosse bei der Zerschlagung einer kriminellen Vereinigung sein könnte; doch er brachte kein Wort mehr über die Lippen. Der Schmerz gloste in ihm wie das Wüten eines Geschwürs. Ruckartig stand er auf, und der schildkrötenähnliche Massagerobot schlang eilends zwei dünne Tentakel um seinen Arm.
Clay tat zwei täppische Schritte und mußte sich dann auf die Kante der Klarplast-Wanne stützen; die eitrig aussehende Emulsion floß mit leisem Gurgeln ab. Er stierte in die Flüssigkeit, als könne er darin für Shereens Tod einen nachträglichen Sinn entdecken.
»Sie ist tot«, sagte er in kindlichem Tonfall.
»Ja.« Marita Ribeaus Stimme erreichte sein Ohr mit der Sachtheit eines welken Blatts, das zu Boden sinkt.
»Sie hatte Lieblichkeitsfaktor Neun. Die ganze Welt hätte ihr zu Füßen liegen können. Solange ich mich zurückerinnern kann, war es mein Wunsch, daß meine Kinder es einmal besser als ich haben sollen.«
»Es ist ein schwerer Irrtum zu unterstellen, daß Kinder es besser als ihre Eltern haben wollen. Sie wollen es anders haben.«
Clay spürte, aufrichtig verblüfft, Tränen auf seinen Wangen. »Sehen Sie sich das mal an. Ich weine. Es muß Jahrzehnte her sein, daß ich das letzte Mal richtig geweint habe.« Er wischte sich die Augen. Neue Tränen quollen nach, und er starrte die Ribeau durch den lästigen wäßrigen Schleier an. »Weshalb machen Sie mir so einen Vorschlag?« wiederholte er störrisch. »Sie müßten sich denken können, daß es mir völlig unmöglich ist, einfach abzureisen.«
»Der Sozialkoordinator vertritt die Auffassung, es wäre so vielleicht am besten, um unnötige Komplikationen zu vermeiden. Er hat seine endgültige Entscheidung jedoch von meiner Empfehlung abhängig gemacht.«
»Und Sie befürworten meine Abschiebung?«
Marita biß sich auf die Unterlippe. »Ja.«
Clay schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Sie wissen, was man mir angetan hat. Warum?!«
»Weil ich nicht will, daß es mit Ihnen ein böses Ende nimmt, Clay!« schnauzte sie ihn in plötzlichem Aufbrausen an. »Sie sind den Verhältnissen auf der Venus nicht gewachsen. Es ist schlichtweg undurchführbar, Sie weiter vor den schädlichen Konsequenzen Ihres milieubedingten Fehlverhaltens zu schützen.«
Clay schwieg. Die emsige Tätigkeit des Massagerobots verbreitete Wärme und Trägheit in seinem Körper. In seiner Mattigkeit war die Versuchung groß, sich zu fügen. Sein altes, eigentliches Ich mit all der Wut und dem ungewohnten Verlust brannte zur Zeit irgendwo tief in entlegenen Bereichen seines Innern auf ganz kleiner Flamme. Aber er wußte, er würde sich nie wieder im Spiegel ansehen können, wenn er einem solchen Unrecht tatenlos den Rücken zuwandte. Daneben bedeutete das Risiko für sein Leben ihm nichts. Während seines unablässigen Durchbruchsgefechts zu den Höhen des Erfolgs hätte er es tausendmal verlieren können.
»Ich habe versprochen, auf Gewaltanwendung zu verzichten«, sagte er in müdem Ton. »Geben Sie mir noch einmal eine Chance. An meiner Stelle würden Sie genauso wie ich empfinden.«
Der Massagerobot beendete seine Aktivitäten, während die Sphärenschwimmerin Clay auf ihre Antwort warten ließ. Ihre Miene zeugte von angestrengtem Ringen mit einander widerstrebenden Regungen.
»Also gut«, sagte sie schließlich und betrachtete ihn aus verkniffenen Augen. Er konnte ihrem Gesichtsausdruck keine Hinweise auf ihre Gefühle entnehmen. »Ich werde dem Sozialkoordinator empfehlen, Ihnen weiter den Aufenthalt auf der Venus zu gestatten, obwohl ich meine Bedenken habe.« Impulsiv trat sie näher, legte beide Hände auf seine Schultern und blickte ihm ins Gesicht. »Werden Sie es schaffen?«
»Wenn's nur irgendwie möglich ist, werde ich diese Bande mit Stumpf und Stiel ausrotten«, erwiderte Clay mit hohlem Klang.
»Nein.« Unwillig rüttelte die Ribeau an seinen Schultern. »Ich meine, ob Sie's tatsächlich schaffen werden, sich zusammenzureißen und nicht noch mehr gefährlichen Unsinn anzustellen.« Ihr Tonfall widerspiegelte bange Besorgnis.
»Mir bleibt gar keine Wahl.« Clay quälte sich ein verzerrtes Lächeln ab. Er umfaßte Maritas Oberarme und richtete sich mühsam auf. »Lassen Sie uns sofort wieder an die Arbeit gehen.« Ihre Berührung war ihm nicht länger unangenehm, obwohl sie seine Meinungen und seine allgemeine Denkweise bestimmt nicht mehr teilte als vor dem letzten Zwischenfall.
»Comptroller.« Die Ärztin mischte sich ein. »Ihre
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