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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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Maritas Miene eisiger Ablehnung sehen zu müssen.
    »... Weise, die sich den Erfassungskapazitäten der Morbidetektoren entzieht, eine spontane Kristallifikation der Zellorganellen-Kerne angeregt, die über das interzelluläre Membransystem blitzartig auf andere Partien Ihres Körpers übergegriffen hat. Laienhaft ausgedrückt, kann man den Prozeß wohl am besten mit einer Trockengefrierätzung vergleichen. Die gefallenen Gewebezonen waren der Gefahr akuter Fraktionierung ausgesetzt. Die Phosphoglykolat- und Phosphoglyceratmoleküle ...«
    Clay verstand nur die Hälfte und hörte nach einer Weile nicht mehr hin. Shereen , dachte er abermals und erinnerte sich seiner ehrgeizigen Pläne. Er hatte sich aus dem Gewimmel des genetischen Abschaums und degenerierten Auswurfs emporgekämpft, der die Gossen der Tiefstadt bevölkerte, nur immer den einen Weg gesehen, den Weg nach oben, ohne Wenn und Aber, weil seine Kinder es einmal besser haben sollten. Und nun ... Vor sich sah er Shereen in einem Stasisbehälter, jung und schön, kalt und tot. Er wußte es mit unumstößlicher Gewißheit und konnte es doch nicht glauben.
    Die Drangsal dieser Vorstellung war zuviel. Er schlug die Augen auf. Die Medizinerin – sie war inzwischen verstummt – hob eine Hand und entfernte die Elektroden von seinem Kopf. Schwächlich reckte Clay den Hals. »Was ist mit mir?«
    »Sie sind wieder gesund.«
    »Dank dieser Suppe?« Lasch fuchtelte er mit einer Hand und verursachte Geplätscher.
    »Was Sie ›Suppe‹ nennen«, sagte die Medizinerin, ohne daß man ihrem Tonfall auch nur eine Andeutung von Vorwurf hätte anhören können, »ist eine ultrakomplizierte biochemische Vielkomponenten-Emulsion, die nach Ihrem Unfall ...« – das Wort kam völlig glatt über die Lippen der Frau –, »... speziell für Sie aus einer Zellauffrischungsnährlösung, einer antitoxischen Lotion und einem Serum zur Krebsbekämpfung synthetisiert worden ist. Für ihren monetären Gegenwert könnten Sie den Bau von zwei oder drei Raumschiffen finanzieren.«
    »Mein ... mein Status garantiert mir das Privileg einer medizinischen Vollversorgung. Sie können sich darauf verlassen, daß alle Kosten und Honorare beglichen werden.«
    »Die medizinische Behandlung wird in unserer Lokation gegen ein freiwilliges, rein nominelles Entgelt gewährt. Unsere Kosten werden vom venusischen Sozialfonds getragen, zu dem alle Lokationen beisteuern.« Einen Moment lang schwieg die Frau, während sie neben der Klarplast-Wanne, außerhalb von Clays Sicht, irgendwelche Gegenstände zurechtlegte. »In dieser Hinsicht unterscheiden wir uns von der völlig pervertierten Medizinerkaste der Erde, Comptroller. Bei Ihnen ist die medizinische Versorgung für neunzig Prozent der Menschen unbezahlbar geworden. Es gibt keinen klareren Beweis für einen Rückfall in die Barbarei, wie sehr Ihr Alltag auch von Elektronik überquellen mag. Wir venusischen Mediziner würden es als Schande empfinden, die Heilung kranker Menschen zum Mittel der Bereicherung zu erniedrigen.« Sie schaute ihm ins Gesicht und hielt ihm eine Hand entgegen. »Sie können das Behältnis verlassen, Comptroller.«
    Clay fühlte sich viel zu schwach, um gegen diese Äußerungen Argumente vorzubringen. Außerdem war er dieser Frau dankbar, ihr ganz persönlich. Er konnte sich nicht entsinnen, wann zuletzt jemand einfach die Hand nach ihm ausgestreckt hatte, um ihm zu helfen . Verlegen ergriff er die dargereichte Hand und kletterte umständlich aus der Wanne. Als er schlaff auf dem autoaktiven Afterbath-Ergset stand, nackt und nahezu hilflos, gab die Medizinerin ihm ein Frotteetuch; Warmluft und Mikrowellen trockneten und entkeimten seinen geschwächten Körper. Verstohlen musterte er die Ribeau, die in offensichtlicher Mißgelauntheit an der Tür wartete und ihn noch immer keines Blickes würdigte.
    Heute trug sie eine petrolfarbene Pumphose, deren Oberflächenbeschichtung das gefilmte Näherschweben zahlloser Asteroiden im Holo-Imitat simulierte (die Aufnahmen mußten aus dem Asteroidengürtel stammen), und eine weite, kurzärmelige Bluse in der Grundfarbe Mint, übersät mit Sternchenflitter in verschiedenen Metallic-Färbungen. Ihre langen, bloßen Beine steckten in olivgrünen Schnabelschuhen. Auf ihrem nun kurzen, leicht streng geschnittenen Haar saß eine schlichte, in Weiß und Kaktusgrün gestreifte Propellermütze. Zwei pflaumengroße, schilfgrüne Punkte bedeckten ihre Wangen.
    »Wie lange bin ich schon in der Klinik?«

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