In den Städten, in den Tempeln
zu bleiben. Die Frauen waren es, die vor ihm dahinzuschmelzen hatten, nicht umgekehrt.
»Ich ... äh ...« Ein merkwürdiges Gebilde, das in diesem Augenblick in Sichtweite der Ergblase gelangte, kam ihm gerade recht als Mittel zur Ablenkung. »Was ist denn das dort drüben?«
»Wo?«
Marita Ribeau reckte den Hals und spähte über den in eine Klarplastkapsel eingeschweißten Aggregatblock der Ergblase hinweg in die Richtung, in die Clay zeigte.
»Gleich links neben dem versandeten Gelände, das ein bißchen muldenförmig abfällt ... Sehen Sie, was ich meine? Es sieht fast wie eine Kuppel aus.«
»Ach! Sie haben recht, es ist eine Kuppel. Was Sie dort sehen, ist der Sankt-Damokles-Dom. Eines unserer wenigen Bauwerke, die unmittelbar an der venusischen Oberfläche liegen. Es ist heute nur noch von wissenschaftlicher Bedeutung.«
»Sankt Damokles?« Clay hob die Brauen. Die Spinnereien, mit denen man ihn überraschte, nahmen anscheinend kein Ende. »Wieder so eine schrullige Sekte?«
»Nein. Bei Sankt Damokles handelt es sich um eine Sonderform des Ferroplasmas. Sie besteht aus einem einzelnen, massiven Klotz, der während der Anfänge der Siedlungstätigkeit bei Ausschachtungsarbeiten entdeckt worden ist. Als man ihn freigelegt hat, stellte man fest, daß er schwebt. Er läßt sich nicht aus seiner Position entfernen. Er ist dann überkuppelt worden. Man kann ihn heute noch besichtigen. Es ist ein unheimliches Gefühl, wenn man unter ihm steht.«
»Und wie ist er zu seinem Namen gekommen?« Clay spürte, daß die Sphärenschwimmerin ihm etwas verschwieg.
»In den anfänglichen, noch etwas wilden Zeiten der Besiedlung hat man ihn zu so etwas Ähnlichem wie Gottesurteilen benutzt«, gab Marita Ribeau ihm merklich widerwillig Auskunft. »Aber das ist seit langem nicht mehr üblich«, fügte sie hastig hinzu. »Derartige Methoden haben wir inzwischen überwunden. Die ersten Siedler von der Erde brachten zwar alle erdenkliche Supertechnik mit, aber innerlich steckten sie noch tief im Sumpf der Barbarei.«
»Ist der Klotz genauso psychosensitiv wie das Plasma?« Versonnen blickte Clay zu dem auffälligen Kuppelbau hinüber, der sich von der ebenen Einförmigkeit der Venuslandschaft deutlich abhob, und versuchte, sich einen Begriff von der Größe zu verschaffen; aber es gab keine Vergleichsmöglichkeiten.
»Sogar noch mehr. Einer wissenschaftlichen Hypothese zufolge soll Sankt Damokles – genau wie das übrige Ferroplasma – eine lebendfossile Restform einstigen geopsychischen Lebens sein, und man nimmt an, daß Sankt Damokles ein rudimentäres Bewußtsein höherer Qualität als das semiliquide Plasma besitzt, mit immanenter Ethik und Moral ... Es gibt eine Forschungsgruppe, die sich ausschließlich damit beschäftigt. Bisher sind jedoch sämtliche Versuche, mit diesen hypothetischen Überbleibseln von Bewußtsein in Kontakt zu treten, am Fehlen geeigneter Kommunikationsmedien gescheitert.«
»Es hat für mich den Anschein, als wäre die Kuppel ein gewaltiger Bau«, sagte Clay. »Wie groß ist der Klotz?«
Marita zuckte die Achseln. »Riesengroß.« Auf dem Gesäß schwang sie sich herum und berührte an einem kleinen manuellen Kontrollpult einige Sensoren. »Entschuldigen Sie, daß ich so wenig dazu sagen kann, Clay, aber heutzutage interessieren sich nur noch Spezialisten für Sankt Damokles.«
Clay erwartete, sie werde per Datenfunk entsprechende Fakten anfordern, doch als die graue, stellenweise sandverkrustete Kuppel hinter der Ergblase in der Ferne verschwand und er den Kopf drehte, sah er, daß die Venusierin gar nicht daran dachte. Vielmehr hatte sie einer durch irgendwelche optischen Täuschungen von außen unsichtbaren Servothek zwei schmale, hohe Gläser mit einer ölig-schwarzen Flüssigkeit entnommen, und ein sonderbares Aroma begann sich im Innern der Ergblase auszubreiten. Sie bot ihm ein Glas an, und in seiner Verblüffung nahm er es.
»Was ist das?« fragte er, weil ihm nichts anderes einfiel.
»Es kommt nicht darauf an, was es ist, sondern ob's schmeckt.« Marita schnupperte. »Mögen Sie den Duft?«
»Äh ...« Es roch nach knochentrockenem Lehm und herben Gewächsen; die Ribeau, so mußte Clay ihr zugestehen, hatte ein treffsicheres Gespür. Er glaubte sich beinahe in eine Wüstenrandzone oder eine Tundra versetzt. »Ungewöhnlich, muß ich sagen. Ich meine, es riecht nicht unbedingt wie im Zentralzentrum von Metrocago.« Er vollführte eine fahrige Geste der Ratlosigkeit.
Das
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